Gänsehaut zum Abschied - besser hätte sich Dirk Nowitzki seinen Rücktritt nicht vorstellen können. Das letzte Heimspiel wird noch einmal zur ganz grossen emotionalen Show. Drei Kinder und ganz neue Hobbys warten auf den Basketball-Routinier.
Dirk Nowitzki wird nach dem Heimspiel der Dallas Mavericks verabschiedet. Foto: Tony Gutierrez/AP
Dirk Nowitzki wird nach dem Heimspiel der Dallas Mavericks verabschiedet. Foto: Tony Gutierrez/AP - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Erleichtert verabschiedete sich Dirk Nowitzki nach einem Bilderbuch-Abend in sein künftiges «neues Leben» als Basketball-Rentner - und freut sich nun auf «Pizza zum Frühstück».
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Eine gigantische Lasershow und der Besuch von fünf Vorbildern um Legende Larry Bird rührten den vollkommen überwältigten Superstar zu Tränen, bevor er sich das Mikrofon schnappte und auf grösstmöglicher Bühne sein persönliches Ende verkündete. «Das war mein letztes Heimspiel», rief der gefeierte Korbjäger den jubelnden Fans der Dallas Mavericks zu. Nowitzki geht damit endgültig als einer der grössten Athleten in die Geschichtsbücher des deutschen Sports ein.

Die «One More Year» und «We Want Dirk»-Forderungen der Anhänger waren vergebens, ihr grosses Idol hatte sich da längst und für mehr Zeit mit seiner Frau Jessica und den drei Kindern entschieden. «Ich will den Kids Sachen ermöglichen, da freue ich mich richtig drauf», sagte Nowitzki.

Nun ist Schluss mit den vielen Flugreisen und der täglichen Quälerei im Leistungssport. Stattdessen sehnt der Ausnahmeathlet endlich die Dinge herbei, auf die er so viele Jahre verzichten musste: « und an diesem Donnerstag Eis und eine Pizza zum Frühstück zu essen.»

Nach mehr als zwei Dekaden bei den Mavericks blickte Nowitzki auf eine schillernde Karriere mit vielen prägenden Erinnerungen zurück. «Es bleiben so viele Erfahrungen. Ich habe die Welt bereist, habe Freundschaften geschlossen, eine neue Heimat gefunden hier mit Frau und Familie. Ich kam damals mit 20 und war noch grün hinter den Ohren. Ich bin hier zum Mann aufgewachsen.»

Der 40-Jährige hatte schon vor Spielbeginn mit den Tränen zu kämpfen und musste sich diese auch während des 120:109-Sieges gegen die Phoenix Suns mehrere Male aus den Augen wischen. «Es war eine unglaubliche Reise», rief der Würzburger. Sein langjähriger Coach Rick Carlisle konnte seine Wertschätzung für den Mensch und Sportler Nowitzki kaum in Worte fassen. «Du gibst so viel und bittest um so wenig - das inspiriert uns alle, bessere Menschen zu sein. Das ist dein grösstes Vermächtnis», sagte er.

Im letzten Heimspiel, das ausschliesslich im Zeichen der schillernden Laufbahn des Deutschen stand, brachte es Nowitzki noch einmal auf 30 Punkte und überholte damit Basketball-Legende Michael Jordan als ältesten Spieler mit mindestens 30 Zählern in einem NBA-Spiel.

Und plötzlich wurde die Halle dunkel und seine Idole standen vor Nowitzki und huldigten dem Routinier. «Dirk, es war eine Ehre dir zuzuschauen. Das Spiel ist ein besseres wegen dir», bekannte Bird. Barkley nannte ihn «den nettesten Menschen aller Zeiten».

Die Überraschung für Nowitzki war seinem Herzensteam aus Texas bestens gelungen. «Das war ein sehr emotionaler Moment. Vielen Dank an (Team-Besitzer) Mark Cuban und an die Mavs. Sie haben das grossartig gemacht, ich war sprachlos», sagte Nowitzki, der in das Prozedere nicht eingeweiht war und angesichts des prominenten Besuchs verdutzt auf dem Parkett stand. «Alle fünf waren meine Idole. Der Einzige, der gefehlt hat, war Michael Jordan, er war meine Nummer eins», sagte Nowitzki.

Sprachlos war aber nicht nur der 40-Jährige, sondern auch einige seiner Weggefährten, schliesslich hatte Nowitzki fast niemanden in seinen endgültigen Entschluss («Die Comeback-Chancen stehen bei null Prozent») eingeweiht. «Wir waren alle überrascht, als er dann gesagt hat, das war sein letztes Heimspiel. Man ist davon ausgegangen, aber es war das erste Mal, dass er es gesagt hat», sagte Landsmann und Teamkollege Maximilian Kleber. Die Verkündung zu diesem Zeitpunkt kam überraschend, hatte Nowitzki doch wenige Tage zuvor noch eine Entscheidung im Familienurlaub in der Karibik angekündigt - zu einem Zeitpunkt, als er seinen Entschluss schon gefasst hatte.

Das sportlich bedeutungslose Spiel gegen Kellerkind Phoenix wurde im ausverkauften American Airlines Center zu einer einzigen Dirk-Show. Schon vor dem Spiel lagen tausende Nowitzki-Masken auf den Sitzen, Mitarbeiter der Mavericks, darunter auch Coach Carlisle, trugen beinahe geschlossen Shirts mit der Aufschrift «41.21.1.». Die 41 ist Nowitzkis Rückennummer, 21 Jahre spielte er für diesen NBA-Club.

In den Auszeiten wurden Zusammenschnitte zur Karriere Nowitzkis gezeigt. «Er ist einer der Grössten überhaupt», liess LeBron James per Videobotschaft ausrichten. Ex-Superstar Shaquille O'Neal sagte auf Deutsch: «Ich liebe dich.»

Nowitzki blickt auf eine überwältigende Laufbahn mit vielen Erfolgen und Meilensteinen zurück. So führte er die Mavericks 2011 zu ihrem ersten und einzigen NBA-Titel, vier Jahre zuvor war er zum wertvollsten Spieler der nordamerikanischen Profiliga gewählt worden. «Er wird daher die grösste Statue aller Zeiten bekommen», kündigte Mavs-Besitzer Cuban bei seiner finalen Lobeshymne an. «Danke, danke, danke, danke. Es wird niemand mehr so sein wie du.» Er hatte die Zeremonie nach der Partie in die Wege geleitet und schon vorab gewarnt, die Fans sollten bitte «genügend Taschentücher» mitbringen.

Da Dallas die Playoffs in der nordamerikanischen Profiliga verpasst hat, wird die Partie am Mittwochabend (2.00 Uhr MESZ am Donnerstag/DAZN) bei den San Antonio Spurs der letzte reguläre NBA-Auftritt für Nowitzki. «Ich will noch ein bisschen spielen und will es geniessen. Aber heute Nacht war die grosse Nacht.» Er wolle dabei noch «noch ein paar Dreier draufholzen», sagte «Dirkules». Er wird als der bislang beste deutsche Basketballer in die Geschichte eingehen.

In der ewigen Punkte-Bestenliste der NBA überholte er gerade erst Legende Wilt Chamberlain und kletterte auf Platz sechs. Auch das Nationalteam prägte Nowitzki jahrelang, gewann 2002 WM-Bronze, 2005 EM-Silber und erfüllte sich 2008 in Peking den Traum von einer Teilnahme an Olympischen Spielen.

«Er hat gezeigt, dass Weltstar-Sein durchaus zu hundert Prozent damit verbunden sein kann, menschlich geerdet zu bleiben, menschlich trotz grösster sportlicher Erfolge die allerhöchste Qualität zu haben», sagte Ex-Bundestrainer Dirk Bauermann der Deutschen Presse-Agentur über seinen früheren Schützling. Für den bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) ist der Sportler «nicht nur einer der längsten, sondern auch der grössten Franken aller Zeiten.» Er werde allerdings in Dallas bleiben, kündigte Nowitzki bereits an. «Das ist mein neues Zuhause, mit meiner Frau und meinen Kids. Ich bin ein Texaner geworden.»

Diese Saison machten Nowitzki lange Zeit Fussprobleme nach einer Knöcheloperation im April 2018 zu schaffen. Erst Mitte Dezember kehrte er auf das Parkett zurück und wurde danach regelmässig geschont. Der Körper war letztlich auch der Hauptgrund dafür, kein weiteres Jahr mehr in Angriff zu nehmen. «Es hat sich schon die ganze Saison ein wenig abgezeichnet. Es macht mit dem Fuss einfach keinen Sinn mehr, der Fuss ist nicht mehr gut genug», konstatierte Nowitzki, der nach geschaffter Abschiedsgala in den Katakomben erleichtert, gelöst und mit aller Geduld zu den Journalisten sprach.

Die Freizeit, die sich nun ergibt, will Nowitzki vor allem mit seiner Familie nutzen. Die Söhne Max und Morris sowie Tochter Malaika nehmen längst schon grossen Raum in seinem Leben ein, sollen nun aber noch mehr von Papa Dirk haben. «Ich bin froh, dass jetzt mein anderes Leben beginnt», bekundete Nowitzki.

Das Messen mit den Besten und die Kameradschaft werden ihm zwar nach eigener Aussage fehlen, doch dafür sollen sich neue Chancen ergeben. «Sich einfach mal gehen zu lassen, vielleicht mal Skifahren zu gehen, was ich schon über 25 Jahre nicht mehr gemacht habe», sagte Nowitzki.

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