Aus nach Krimi: Clemens bei Darts-WM ausgeschieden

Das Wichtigste in Kürze
- London (dpa) - Diese sieben verpassten Chancen auf den nächsten geschichtsträchtigen Coup werden Gabriel Clemens noch lange Zeit beschäftigen.
Der Mann, der sein WM-Aus im Vorjahr noch salopp mit den Worten «Es war ja nur ein Darts-Spiel» kommentiert hatte, sah die Sache nach dem packenden 3:4-Krimi gegen Angstgegner Krzysztof Ratajski aus Polen etwas ernster.
Mit der bislang einmaligen Chance auf 50.000 Pfund Preisgeld und den Einzug ins WM-Viertelfinale versagten dem deutschen Darts-Hoffnungsträger in London plötzlich die Nerven. Der «German Giant» war untröstlich. «Wenn man so viele Matchdarts verballert, freut einen erstmal nichts mehr», sagte Clemens, nachdem er das Achtelfinale gegen Polens Krzysztof Ratajski in einem mitreissenden Pfeile-Krimi mit 3:4 verloren hatte.
«Was soll ich jetzt sagen? Im Moment kann ich nix Positives finden», kommentierte der niedergeschlagene Clemens bei Sport1, als er nach dem haarscharf verpassten Viertelfinal-Einzug eine kleine WM-Bilanz ziehen sollte. «Fragt mich in zwei Tagen wieder. Gerade sind Interviews, glaube ich, nicht gut.»
Das abschliessende Doppel-Schauspiel mit insgesamt 17 verpassten Match-Darts machte die beiden Profis im Alexandra Palace und die Zuschauer vor den Fernsehschirmen fassungslos. «Man denkt einfach: Wirf ihn rein, wirf ihn rein. Er ging aber nicht rein», sagte Clemens dem ZDF.
Dabei hätte Clemens trotz des bitteren Ausscheidens in London allen Grund gehabt, stolz auf das Jahr 2020 zurückzublicken. Der erste Achtelfinal-Einzug eines Deutschen bei der WM ist genauso ein Erfolg wie der Sprung in die Top 32, mit dem Clemens sogar die bisherige deutsche Nummer eins Max Hopp ablöste.
Am Ende mussten beide Akteure auf die Doppel-eins zielen - und Ratajski nutzte schliesslich seine elfte Chance. «Dieses Ende war furchtbar. Es war verrückt. Normalerweise verliere ich solche Matches», sagte Ratajski, der nun erstmals im WM-Viertelfinale steht. Beim Verlierer herrschte trotz seines begeisternden Auftritts inklusive Sieg über Weltmeister Peter Wright nichts als Frust. «Ich bin sauer auf mich selbst», sagte der 37-Jährige.
Doch der Schmerz sass nach sieben verpassten Match-Darts auf ein Doppelfeld tief. «Ich bin sauer auf mich selbst», sagte Clemens. Die Gelegenheit, das WM-Viertelfinale zu erreichen und dort auch noch auf einen machbaren Gegner zu treffen, war riesig - sie blieb ungenutzt.
Die passenden Worte mussten diesmal andere für Clemens finden. Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) outete sich schon nach Clemens' Achtelfinaleinzug über den kunterbunten Champion Wright als Pfeile-Fan und gratulierte dem Saarländer. Nach dem Ende der Londoner Abenteuer-Reise würdigte Hans den Darts-Profi noch einmal. «Super gekämpft und Geschichte geschrieben. Herzlichen Glückwunsch @GGiant180 zu einer tollen Darts-WM», schrieb Hans auf Twitter. Clemens habe «Deutschland und das Saarland grossartig vertreten».
In den vergangenen Tagen hatte das mediale Interesse an Darts in Deutschland massiv zugenommen. Das lag an Clemens, der am Sonntag Weltmeister Peter Wright mit 4:3 besiegt und damit für den grössten deutschen Darts-Sieg gesorgt hatte. Endete der Krimi in Runde drei noch positiv, herrschte nach der Partie auf Augenhöhe gegen Ratajski diesmal Frust. «Es war ein enges Spiel. Aber da kann ich mir auch nichts von kaufen», sagte Clemens. Die WM im Alexandra Palace dauert noch bis zum 3. Januar. Die Viertelfinals, bei denen Ratajski statt Clemens dabei ist, finden am Neujahrstag statt.
So sahen es auch zahlreiche Fans, zu denen am Dienstagabend auch die frühere deutsche Nummer eins Max Hopp zählte. Er sei «aufgesprungen» und habe «die Nüsse vom Sofa geschmissen», berichtete TV-Zuschauer Hopp auf Instagram von der bisher packendsten Partie der Titelkämpfe. Clemens selbst erzählte, er habe in den vergangenen Tagen so viele Medienanfragen wie nie zuvor erhalten. Sein Handy habe nicht mehr stillgestanden, seit er sich «Weltmeister-Besieger» nennen darf und mit dem grossen Sieg endgültig in der Darts-Elite ankam.
Mit ein bisschen Abstand wird der stolze Saarländer («Es ist der schönste Platz in Deutschland») ein positives Jahresfazit für 2020 ziehen können. Clemens schlug nicht nur «Snakebite» Wright bei der WM, sondern bei anderen wichtigen Turnieren auch Weltklasseprofis wie Rob Cross oder Nathan Aspinall (beide England). Mit Landsmann Hopp erreichte er im November in Salzburg zudem das Halbfinale bei der Team-WM.
Sein zweites Jahr als Vollprofi spülte den Industriemechaniker bereits in die Top 32 der Weltrangliste. 2021 wird er definitiv weitere Gelegenheiten erhalten, noch enger an die Weltspitze heranzurücken.