In der Schweiz haben rund 9000 Personen ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag gestellt. Zwei Drittel wurden bisher bearbeitet, ein Prozent wurde abgelehnt.
Solidaritätsbeitrag
In der Schweiz wurden schätzungsweise 60'000 Personen administrativ versorgt. Experte arbeiten die Geschehnisse wissenschaftlich auf und machen sie etwa wie hier in einer Ausstellung der Bevölkerung zugänglich. (Archivbild) - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Laut neuen Schätzungen wurden in der Schweiz bis 60'000 Personen administrativ versorgt.
  • Rund 9000 Personen haben beim Bund ein Gesuch für ein Solidaritätsbeitrag gestellt
  • Zwei Drittel wurden behandelt, ein Prozent der Gesuche wurde abgelehnt.
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Gemäss neuen Schätzungen sind in der Schweiz bis zu 60'000 Personen administrativ versorgt worden. Rund 9000 Personen haben beim Bund ein Gesuch für einen Solidaritätsbeitrag gestellt, wovon das Bundesamt für Justiz zwei Drittel bearbeitet hat. Es ist damit auf Kurs.

Die Beiträge seien grösstenteils ausbezahlt worden, schreibt das Bundesamt für Justiz (BJ) heute Montag in einer Mitteilung.

Ein Prozent der Gesuche abgelehnt

Ein Prozent der Gesuche sei abgelehnt worden, weil die Betroffenen ihre «Opfereigenschaft» nicht glaubhaft hätten darstellen können. Sie können Einsprache gegen den Entscheid einlegen.

Schwer kranke und betagte Opfer wurden bevorzugt behandelt. Ihre Gesuche konnten bis Ende März bearbeitet werden. Seither werden die Gesuche nach Reihenfolge des Eingangs geprüft.

Beschleunigtes Verfahren

Das BJ hat gemäss Mitteilung im vergangenen Jahr verschiedene personelle und finanzielle Massnahmen umgesetzt, um Gesuche vor der gesetzlich vorgeschriebenen Frist vom 30. März 2021 abschliessen zu können. Im März dieses Jahres hatte der Bundesrat dem Parlament zudem wegen der beschleunigten Verfahren einen Nachtragskredit für die Opfer in Höhe von 58,5 Millionen Franken beantragt.

Die neuste Schätzung von bis zu 60'000 administrativ Versorgten im 20. Jahrhundert hat die vom Bund eingesetzte Unabhängige Expertenkommission (UEK) bekannt gegeben.

«Zahl überrascht»

Die Zahl habe überrascht, bestätigte Anne-Françoise Praz, Vizepräsidentin der UEK, am Sonntag Meldungen der Zeitungen «Matin Dimanche» und «NZZ am Sonntag». 2014 war man noch von schätzungsweise 15'000 bis 25'000 Betroffenen ausgegangen.

Die UEK arbeitet die administrativen Versorgungen und Zwangsmassnahmen wissenschaftlich auf. Erst Mitte März sprachen sich die Experten dafür aus, die Frist für die Gesuche für Entschädigungsforderungen zu verlängern. Sie war am 31. März 2018 abgelaufen. Der Bundesrat hat sich bisher dagegen ausgesprochen, die Frist zu verlängern.

Wegen Handeln und Lebensstil interniert

Im September wird die UEK den Synthesebericht mit Empfehlungen an den Bundesrat veröffentlichen. Bis dahin wird die UEK mehrere Bände mit Zeitzeugnissen wie Verhörprotokollen, Briefe und Interviews publizieren.

Unter administrativer Versorgung verstehen die Forschenden Massnahmen, die zu einem Freiheitsentzug in einer geschlossenen Anstalt führten. Die Menschen wurden nicht interniert, weil sie eine Straftat begangen hatten, sondern weil ihr Handeln und ihr Lebensstil aus Sicht der Behörden nicht den damaligen gesellschaftlichen Normen entsprachen.

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