Dass die Asylgesuche von Flüchtlingen aus Syrien sistiert sind, ist zwar unschön, aber die einzige Lösung, sagt Nau.ch-Bundeshausredaktor Matthias Bärlocher.
Syrien LibanonVictory
Ein Mann zeigt das «Victory»-Zeichen, während Menschen die Übernahme der syrischen Hauptstadt Damaskus durch Rebellen feiern, in Beirut (Libanon) am 8. Dezember 2024. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Schweiz hat alle syrischen Asylgesuche sistiert.
  • Aus dem Parlament gibt es dafür sowohl Zustimmung als auch Kritik.
  • Auch wenn unschön, sei der Entscheid richtig, sagt Nau.ch-Redaktor Matthias Bärlocher.
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Asylgesuche von syrischen Flüchtlingen sind aktuell sistiert, dies hat das Staatssekretariat für Migration (SEM) gestern bekanntgegeben. Der Entscheid ist nicht unumstritten: Vor allem Grüne und NGOs halten ihn für falsch und entgegen der humanitären Tradition der Schweiz.

Bezeichnenderweise verknüpfen die politischen Lager jeweils ganz konträre Befürchtungen beziehungsweise Hoffnungen. Genau darum ist der Entscheid des SEM aber richtig.

Lob und Kritik aus der Politik

Im Interview mit Nau.ch lässt SVP-Nationalrätin Martina Bircher durchblicken, warum sie den SEM-Entscheid begrüsst: Weil sonst Asylgesuche bewilligt werden könnten, obwohl es in der neuen Situation Gründe für deren Ablehnung gibt.

Martina Bircher, Nationalrätin (SVP/AG), begrüsst die Sistierung der Asylgesuche von syrischen Flüchtlingen. - Nau.ch

Grünen-Nationalrat Balthasar Glättli befürchtet dagegen, dass mit der Sistierung für viele Syrerinnen und Syrer eine bange Zeit der Ungewissheit anbricht. Obwohl sie doch angesichts des verunsicherten Staatssekretariats doch erst recht Anrecht auf vorläufige Aufnahme hätten.

Hoffen auf eine bessere Welt – auch für Syrien

Beide Seiten haben natürlich irgendwie recht. Ein Entscheid, nicht zu entscheiden, ist immer unschön, vor allem für die Direktbetroffenen. Aber sobald Tausende Syrerinnen und Syrer aus dem Libanon über die Grenze zurück ins Heimatland strömen: Muss man dann nicht annehmen, dass es dort sicher ist?

Syrien Damaskus Bevölkerung
Passantinnen gehen über den Al-Hamidiyeh-Markt in der alten Stadtmauer von Damaskus, der Hauptstadt von Syrien, am 10. Dezember 2024. - keystone

Trotzdem bleibt dem SEM doch gar keine andere Wahl. Klar, auch aus Syrien hören wir: Egal was kommt, jedenfalls ist es besser als unter Assad. Das möchte man auch in Europa gerne glauben, aber vieles davon ist «Prinzip Hoffnung».

Ansprechpartner fehlt

Hoffnung aus Eigennutz: Damit nicht eine neue Flüchtlingswelle entsteht und im besten Fall viele syrische Flüchtlinge zurückkehren können.

Und Hoffnung aus Menschlichkeit: Wer wünschte dem syrischen Volk nicht Frieden, Sicherheit, Lebensfreude, nach jahrzehntelanger Diktatur und Gewaltherrschaft?

Nur: Wir wissen das nicht. Nicht nur das, wir wissen eigentlich überhaupt nichts. Nicht einmal, wer eigentlich Ansprechpartner in Syrien wäre.

Abu Mohammed al-Dschulani
Rebellen-Anführer Abu Mohammed al-Dschulani tritt seit Tagen mit seinem bürgerlichen Namen Ahmed al-Scharaa auf und schlägt eher diplomatische Töne an. UGC/Fatah al-Sham Front/dpa - dpa

Wir wissen, dass ein gewisser Abu Mohammed al-Dschulani relativ viel zu sagen hat. Nur heisst er jetzt nicht mehr so, sondern Ahmed al-Sharaa.

Syrien hat keine Regierung. Die siegreichen Milizen bestehen zwar hauptsächlich aus der «HTS» von al-Dschulani, aber eben nicht nur.

Wird die Koalition halten? Werden die Versprechen von religiöser und ethnischer Toleranz eingehalten, die Rachegelüste mit Vergebung erstickt? Wir wissen es nicht und wir stehen mit diesem Unwissen nicht allein da.

Ist Rückkehr nach Syrien in absehbarer Zeit zumutbar?

Gut möglich, dass Syrien mit der riesigen Zahl Rückkehrer, die nur noch zerbombte Häuser vorfinden, überfordert sein wird. Und dadurch ein neuer, Volksgruppen übergreifender Zusammenhalt entsteht. Oder das Gegenteil.

Findest du es richtig, dass die Asylgesuche von syrischen Flüchtlingen sistiert wurden?

Gut möglich, dass für die Angehörigen bestimmter Minderheiten die Rückkehr in absehbarer Zeit zumutbar ist. Für andere aber nicht. Fakt ist: Es gibt im Moment keine Entscheidungsgrundlage.

Unschön wäre, wenn diese Situation über Monate und Jahre andauern würde. Falsch wäre aber, dem SEM dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben.

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