Drei Jahre nach dem von Ausschreitungen überschatteten Hamburger G20-Gipfel hat das Landgericht der Hansestadt mehrere junge Männer wegen Beteiligung an den damaligen Krawallen verurteilt.
Der Gerichtssaal vor dem Urteil
Der Gerichtssaal vor dem Urteil - POOL/AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Franzose soll drei Jahre ins Gefängnis - Richter kritisiert Staatsanwaltschaft.
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Gegen einen 24-jährigen Franzosen verhängten die Richter am Freitag eine dreijährige Haftstrafe. Vier deutsche Angeklagte im Alter von 19 bis 26 Jahren aus Hessen wurden zu Bewährungsstrafen von jeweils rund eineinhalb Jahren beziehungsweise zu 20 gemeinnützigen Arbeitseinsätzen verurteilt.

Nach rund eineinhalbjährigem Verfahren war das Gericht überzeugt, dass sich alle Beschuldigten an einem gewalttätigen Aufmarsch der linksextremen Szene in der Hamburger Elbchaussee beteiligt hatten. Dabei waren am Morgen des ersten Gipfeltags unter anderem zahlreiche Autos angezündet und Gebäude beschädigt worden. Im Fall des Franzosen ging es zusätzlich noch um dessen Beteiligung an Ausschreitungen gegen Polizisten im Hamburger Schanzenviertel am selben Abend.

Die Urteile ergingen wegen Landfriedensbruchs sowie psychischer Beihilfe zu Brandstiftungen, im Falle des Franzosen auch wegen psychischer Beihilfe zu versuchter gefährlicher Körperverletzung und Sachbeschädigung. Dazu kamen bei diesem Angeklagten wegen der Teilnahme an den abendlichen Krawallen im Schanzenviertel noch versuchte gefährliche Körperverletzung und tätliche Angriffe auf Beamte.

Durch ihre Beteiligung an dem «martialisch anmutenden Aufmarsch» hätten die fünf Angeklagten «die Basis» für die damaligen massive Aktionen von Gewalttätern gelegt und diesen «Rückhalt» gegeben, sagte die Vorsitzende Richterin Anne Meier-Göring. Die Ereignisse hätten in der Bevölkerung «Angst und Schrecken verbreitet», viele Anwohner «traumatisiert» und hohe materielle Schäden verursacht.

Die Darstellung der Anklage, wonach es sich bei dem Geschehen um eine quasi paramilitärisch organisierte Gewaltaktion der linken Szene mit genauer Planung gehandelt habe, wies Meier-Göring aber mit Blick auf das Ergebnis der Beweisaufnahme als «Mär» zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte argumentiert, dass sich die Angeklagten im Vorfeld über das genaue Ausmass der zu erwartenden Gewalt im Klaren gewesen seien und daher wissentlich zu Mittätern bei allen Taten geworden seien.

Die Strafmassforderungen der Staatsanwaltschaft lagen in der Folge auch erheblich höher. So hatte diese in ihrem Plädoyer etwa für den Angeklagten aus Frankreich vier Jahre und neun Monate Haft gefordert. Meier-Göring nannte die Schlussfolgerungen der Anklage indes «eine unzulässige Pauschalisierung und rechtlich falsch».

Um konkrete persönliche Gewalttaten ging es in dem Prozess zudem nur im Fall des Franzosen. Er warf nach Überzeugung des Gerichts während des Aufmarschs einen Böller in einen Hauseingang und bei den Krawallen im Schanzenviertel mehrfach Steine und Flaschen auf Polizisten. Belege, dass die Geschosse auch trafen, gab es nicht.

Alle Beschuldigten waren bei der Auswertung von Videoaufnahmen durch die Polizei identifiziert worden. Dabei kam unter anderem auch eine umstrittene Gesichtserkennungssoftware zum Einsatz.

Scharfe Kritik übte Meier-Göring an der Prozessführung durch die Staatsanwaltschaft, aber auch an der Verteidigung. Beide Seiten hätten in dem Verfahren «politische Stimmungsmache» betrieben.

Vor allem die Herangehensweise der Anklage wies sie zurück. So habe diese etwa für die am Ende zu Arbeitsstunden verurteilten jüngsten Angeklagten jeweils zweieinhalb Jahre Haft gefordert. Dabei habe es sich um zwei zur Tatzeit 16- und 17-jährige Schüler gehandelt, die davor und danach niemals straffällig geworden und sozial äusserst engagiert seien. Sie hätten sich damals offenbar «mitreissen lassen».

Auch der Angeklagte aus Frankreich blieb nach dem Urteil auf freiem Fuss. Seine Strafe muss er erst antreten, sofern dieses rechtskräftig wird. Er sass zwischenzeitlich nahezu eineinhalb Jahre in Untersuchungshaft, was ihm auf die Strafe angerechnet werden würde. Die anderen Angeklagten sassen ebenfalls monatelang in U-Haft. Auch daran übte das Gericht scharfe Kritik. Den jüngsten Angeklagten sprach es dafür eine Entschädigung zu.

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