Verschärfte Situation an der griechischen Grenze und Drohgebärden aus Istanbul: Angesichts der Eskalation des Konflikts in Syrien sieht sich der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan nicht mehr an den Flüchtlingspakt mit Brüssel gebunden und hat mit offen stehenden Grenzen zur EU für tausende Flüchtlinge gedroht.
Ausschreitungen an der griechischen Grenze
Ausschreitungen an der griechischen Grenze - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Gewaltsame Auseinandersetzungen an der griechischen Grenze.
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Erdogan sagte am Samstag, die «Tore» seien offen. An der Grenze zu Griechenland gab es gewaltsame Auseinandersetzungen.

Am türkischen Grenzübergang Pazarkule lieferten sich griechische Polizisten und tausende Flüchtlinge, zumeist aus Afghanistan, Syrien und dem Irak, Auseinandersetzungen. Wie ein AFP-Fotograf berichtete, setzte die griechische Polizei Tränengas ein, einige Migranten warfen daraufhin mit Steinen. Aus Polizeikreisen hiess es, Migranten hätten Feuer gelegt und Löcher in Grenzzäune geschnitten.

Polizisten und Soldaten patrouillierten auf griechischer Seite am Grenzfluss Evros und warnten Menschen mit Lautsprechern vor einem Grenzübertritt. Rund 180 Migranten kamen derweil laut Küstenwache zwischen Freitag- und Samstagmorgen auf den Inseln Lesbos und Samos an.

Der türkische Aussenminister Mevlüt Cavusoglu kritisierte die Reaktion der griechischen Einsatzkräfte. «Sie werfen schamlos Tränengasbomben auf Tausende von Unschuldigen», schrieb er im Kurzbotschaftendienst Twitter. «Wir haben nicht die Pflicht, Menschen daran zu hindern, unser Land zu verlassen, aber Griechenland hat die Pflicht, sie wie Menschen zu behandeln.»

Erdogan betonte, sein Land könne «eine neue Flüchtlingswelle nicht bewältigen». Die EU müsse ihre «Versprechen halten» und ihren «Teil der Last» übernehmen. Laut Erdogan kamen seit Freitag bereits 18.000 Flüchtlinge an die türkischen Grenzen zur EU, es könnten 30.000 werden. Nach Angaben aus Athen wurden am Freitag mehr als 4000 illegale Grenzübertritte verhindert.

Bundesverteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU) teilte mit, die EU und die USA müssten «gemeinsam den Druck» auf den syrischen Machthaber Baschar al-Assad und den russischen Wladimir Präsidenten Putin erhöhen, um Gespräche über eine politische Lösung des Konflikts zu ermöglichen. Luxemburgs Aussenminister Jean Asselborn sagte dem «Tagesspiegel», die Nato-Länder müssten der Türkei verdeutlichen, dass in Syrien angesichts der starken Stellung Assads und seiner Unterstützung durch Russland «militärisch gar nichts geht».

«Eine Situation wie 2015 darf sich keinesfalls wiederholen», schrieb Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz bei Twitter. «Unser Ziel muss es sein, die EU-Aussengrenzen ordentlich zu schützen, illegale Migranten dort zu stoppen und nicht weiterzuwinken.»

Die EU und die Türkei hatten im März 2016 ein Flüchtlingsabkommen geschlossen, nachdem 2015 hunderttausende Flüchtlinge über die Balkan-Route nach Mitteleuropa gekommen waren. Ankara verpflichtete sich, alle auf den griechischen Ägäis-Inseln ankommenden Flüchtlinge zurückzunehmen und stärker gegen Schlepperbanden vorzugehen. Die EU versprach der Türkei Milliardenhilfen, eine beschleunigte Visa-Erleichterung und die Modernisierung der Zollunion.

Nach UN-Angaben wurden in Syrien seit Dezember fast eine Million Menschen vertrieben, die Hälfte davon Kinder, weil Machthaber Baschar al-Assad zusammen mit seinem Verbündeten Russland eine Offensive in der letzten Hochburg der Assad-Gegner in Idlib führt. Dort sind vor allem islamistische und dschihadistische Milizen aktiv, die teils von der Türkei unterstützt werden. Bei Luftangriffen in Idlib wurden am Donnerstag 33 türkische Soldaten getötet, ein weiterer starb am Freitag.

Erdogan richtete am Samstag scharfe Warnungen an Russland und Syrien. In einem Telefonat mit Kreml-Chef Putin am Freitag habe er diesem gesagt, Russland solle der Türkei in Syrien «aus dem Weg» gehen. Erdogan drohte Syrien, dass es den «Preis zahlen» werde für den Tod der türkischen Soldaten.

Der Kreml erklärte, Russland und die Türkei hätten sich in Gesprächen für eine «Verringerung der Spannungen», den Schutz von Zivilisten und humanitäre Hilfe in Syrien ausgesprochen. Zugleich hätten beide Länder die Notwendigkeit betont, «den Kampf gegen vom UN-Sicherheitsrat als solche eingestufte Terroristen» fortzusetzen.

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