Ampel legt neues Entlastungspaket von 65 Milliarden Euro vor

Das Wichtigste in Kürze
- Zuschüsse an Studierende, Rentner und Wohngeldempfänger.
«Wir werden niemanden alleine lassen», bekräftigte Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) nach mühsamen Beratungen von SPD, Grünen und FDP seit Samstag. Er zeigte sich überzeugt, dass Deutschland damit «durch diese schwierige Zeit kommen» werde.
Das dritte Entlastungspaket sei mit 65 Milliarden Euro nun grösser als die beiden ersten zusammen, betonte der Kanzler. Alle Pakete gemeinsam stünden für ein Volumen von 95 Milliarden Euro. Dies sei angesichts der Lage «notwendig.»
Geplant ist unter anderem eine Einmalzahlung an Rentnerinnen und Rentner in Höhe von 300 Euro und Studierende von 200 Euro. Das Kindergeld soll zum 1. Januar um 18 Euro jeweils für das erste und zweite Kind steigen.
Wohngeldberechtigte erhalten einen zusätzlichen Heizkostenzuschuss von 415 Euro. Empfängerinnen und Empfänger des neuen Bürgergelds sollen ab Jahreswechsel rund 500 Euro im Monat erhalten - rund 50 Euro mehr als der aktuelle Hartz-IV-Satz.
Der Bund will sich zudem mit 1,5 Milliarden Euro im Jahr an einem Nachfolger-Modell für das populäre Neun-Euro-Ticket beteiligen - wenn die Länder ihrerseits zur Finanzierung beitragen. Das bundesweite Ticket soll dann zwischen 49 und 69 Euro kosten.
Die Massnahmen «führen zu deutlichen Mehrausgaben im Bundeshaushalt», stellen die Ampel-Parteien in ihrem Beschlusspapier fest. Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) will aber weiter ohne zusätzliche Neuverschuldung auskommen. Der Bundeshaushalt 2023 werde wie geplant die Regeln der Schuldenbremse respektieren, betonte Linder.
«Alle mussten einen weiten Weg gehen für einen grossen Sprung», sagte Grünen-Chef Omid Nouripour zu den schwierigen Verhandlungen. «Und dieser grosse Sprung ist gelungen.»
Nicht über den Haushalt läuft die neue Strompreisbremse. Sie soll Privathaushalten, aber auch kleinen und mittleren Unternehmen für einen Basisverbrauch «Strom zu einem vergünstigten Preis» garantieren. Finanziert werden soll dies über eine sogenannte Übergewinnsteuer, mit der Krisengewinne wegen der hohen Strompreise bei Energieunternehmen abgeschöpft werden sollen. Lindner zufolge könnte sich hieraus ein zweistelliger Milliardenbetrag für Entlastungen ergeben.
Lindners Liberale, die strikt gegen Steuererhöhungen sind, hatten sich lange gegen die Forderungen von SPD und Grünen nach einer Übergewinnsteuer gestemmt. Der FDP-Chef betonte nun, es gehe um eine «Massnahme des Energie- und nicht beispielsweise des Steuerrechts».
Die Bundesregierung setzt bei Strompreisdeckel und Übergewinnsteuer zunächst auf eine Einigung auf europäischer Ebene. Scholz betonte aber, notfalls sei die Bundesregierung auch bereit, die Pläne alleine auf nationaler Ebene «zügig» umzusetzen.
Wie von Lindner vorgeschlagen, beinhaltet der Massnahmenkatalog auch ein Vorgehen gegen die sogenannte kalte Progression. Zudem sollen die Beschlüsse auch eine steuerfreie «Inflationsprämie» der Arbeitgeber ermöglichen, sagte Lindner. Scholz nannte dabei einen Betrag von bis zu 3000 Euro, auf den keine Steuern anfallen sollen.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hob die geplante Übergewinnsteuer als «besonders wichtig» hervor - schliesslich verdienten die Energieunternehmen derzeit «irrsinnig viel Geld».
Die Opposition im Bundestag hingegen kritisierte die Pläne als unzureichend. «Viel zu viel bleibt sehr vage», sagte Unionsfraktionsvize Jens Spahn (CDU) zu t-online. Die Linke sprach von einem «Entlastungspäckchen», das nicht weit genug gehe. Die AfD warnte, dass «masslose Staatsausgabensteigerungen» die Inflation anfeuern könnten.
Auch Wirtschaftsverbände zeigten sich enttäuscht. «Es droht, dass vielen Betrieben die Luft längst ausgegangen ist, ehe die im Paket in Aussicht gestellten Entlastungen wirken», erklärte Hans Peter Wollseifer, Generalsekretär des Zentralverbandes des Deutschen Handwerks.
Mehr Anklang fanden die Beschlüsse bei den Gewerkschaften. Die DGB-Vorsitzende Yasmin Fahimi erklärte: «Insgesamt ist der Massnahmenkatalog geeignet, die Belastungen der Menschen und der Unternehmen tatsächlich spürbar zu verringern.»