Anklage wegen mutmasslichen russischen Auftragsmords an Georgier in Berlin erhoben

Das Wichtigste in Kürze
- Bundesregierung behält sich «weitere Schritte» vor - Botschafter: Vorwürfe «haltlos».
Staatliche Stellen der Zentralregierung der Russischen Föderation hätten dem russischen Staatsangehörigen Vadim K. alias Vadim S. den Auftrag erteilt, Tornike K. «zu liquidieren», erklärte die Bundesanwaltschaft am Donnerstag in Karlsruhe. Der Verdächtige habe den Auftragsmord angenommen. Die Bundesregierung behält sich «weitere Schritte» gegen Russland vor. Der russische Botschafter in Berlin wies die Vorwürfe als «haltlos» zurück.
Hintergrund des Auftrags sei die Gegnerschaft Tornike K.s unter anderem zum russischen Zentralstaat sowie zur prorussischen Regierung Georgiens gewesen, hiess es von der Bundesanwaltschaft. So habe er unter anderem im zweiten Tschetschenienkrieg in den Jahren 2000 bis 2004 als Anführer einer tschetschenischen Miliz gegen die Russische Föderation gekämpft. Zudem stuften russische Behörden Tornike K. nach Angaben der Bundesanwaltschaft als Terroristen ein und warfen ihm vor, Mitglied der terroristischen Vereinigung «Kaukasisches Emirat» zu sein.
Der mutmassliche Täter könne den Auftrag in der Hoffnung auf finanzielle Entlohnung angenommen haben, erklärte die Bundesanwaltschaft. Alternativ könne er das Motiv seiner Auftraggeber geteilt haben, einen politischen Gegner zu töten und hierdurch Vergeltung für die Beteiligung an früheren Konflikten mit Russland zu üben.
Der Mann soll für die Ausführung des Tötungsauftrags am 17. August 2019 zunächst von Moskau nach Paris und wenige Tage später nach Warschau geflogen sein, von wo aus er am 22. August nach Berlin gereist sein soll. Am Mittag des 23. August soll er sich dem Georgier tschetschenischer Abstammung auf einem Fahrrad von hinten genähert und ihn mit einer «Glock 26»-Pistole mit Kopfschüssen getötet haben. Vadim K. wurde kurz darauf festgenommen und sitzt seither in Untersuchungshaft.
Bereits im Dezember 2019 wies die Bundesregierung als Reaktion auf die Tat zwei russische Diplomaten aus. Nach der Mordanklage der Bundesanwaltschaft teilte sie mit, sie behalte sich «weitere Schritte» vor. Die Anklage enthalte «schwerwiegende Anschuldigungen», erklärte ein Regierungssprecher. «Die Bundesregierung wird den weiteren Verlauf des Verfahrens bis hin zur gerichtlichen Entscheidung sorgfältig beobachten», fügte er hinzu.
Bundesaussenminister Heiko Maas (SPD) bezeichnete den Fall in Wien als «ausserordentlich schwerwiegenden Vorgang». Die Bundesregierung behalte sich «weitere Massnahmen in diesem Fall ausdrücklich vor». Maas lud den russischen Botschafter zu einem Gespräch ein. Die Tat und die Ermittlungen belasten das Verhältnis zwischen Russland und Deutschland schwer.
Der russische Botschafter in Deutschland wies die Vorwürfe der Bundesanwaltschaft am Abend zurück. «Die gegen russische staatliche Stellen erhobenen Vorwürfe halten wir für nicht gerechtfertigt und haltlos», erklärte Botschafter Sergej Jurjewitsch Netschajew. Die Behauptung des Generalbundesanwalts werde nach wie vor «durch keine Fakten und Nachweise bekräftigt».
Die «Unterstellungen» trügen «nicht zur positiven Entwicklung der ohnedies nicht einfachen deutsch-russischen Beziehungen bei», erklärte Netschajew weiter. Mögliche Massnahmen gegen Russland würden «nicht unerwidert bleiben».
Auch Vertreter von Regierungs- und Oppositionsparteien forderten Konsequenzen. «In keiner Weise können wir hinnehmen, dass ein anderer Staat auf unserem Territorium gezielte Tötungen vornimmt», sagte Unionsfraktionsvizechef Thorsten Frei (CDU) dem Nachrichtenportal «t-online». Der Grünen-Bundestagsabgeordnete Manuel Sarrazin bezeichnete die Erkenntnisse der Ankläger als «neuen Tiefpunkt im deutsch-russischen Verhältnis». Auch der innenpolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Konstantin Kuhle, sagte «t-online», die Anklage zeige erneut, «wie kaltherzig und brutal die Regierung von Wladimir Putin auch im Ausland gegen ihr unliebsame Personen vorgeht.»