Türkei erhält erste S-400-Luftabwehrraketen aus Russland

Das Wichtigste in Kürze
- Nato «besorgt» über Konsequenzen von Rüstungsgeschäft.
Drei russische Frachtmaschinen trafen im Laufe des Tages auf einem Militärflughafen bei Ankara mit Teilen des Luftabwehrsystems ein. Die Nato äusserte sich «besorgt» über die Konsequenzen des Rüstungsgeschäfts mit Russland und warnte, die S-400 seien nicht mit den Nato-Waffensystemen kompatibel.
Der türkische Verteidigungsminister Hulusi Akar sagte am Nachmittag, drei Flugzeuge seien plangemäss auf der Luftwaffenbasis Murted bei Ankara gelandet. Weitere Flüge seien für Freitag nicht geplant. Türkische Soldaten würden für den Einsatz der S-400 in Russland und der Türkei geschult. Akar verwies aber auch darauf, dass die türkische Regierung weiterhin den Kauf von US-Patriot-Luftabwehrraketen prüfe.
Die Türkei hatte im April 2017 bei dem staatlichen russischen Rüstungskonzern Almas-Antei zwei S-400-Batterien für einen Preis von 2,5 Milliarden Dollar bestellt. Jede S-400-Batterie besteht aus einem mobilen Kommandozentrum, mehreren Radarstationen und bis zu zwölf Startern mit jeweils vier Raketen. Sie sollen aktiviert werden, sobald sie vollständig bereit sind. Wo sie in der Türkei stationiert werden, ist noch unklar.
Der Kauf der russischen Luftabwehrraketen sorgt seit Monaten für Streit mit den USA. Washington fürchtet, dass die Installation des russischen Systems beim Nato-Partner die Sicherheit der eigenen Flugzeuge gefährdet. Die US-Regierung droht daher, der Türkei keine F-35-Kampfflugzeuge zu liefern. Türkische Rüstungsfirmen sind an der Produktion des neuen Kampfjets beteiligt, und Ankara hat 116 Maschinen bestellt.
Die Nato äusserte sich am Freitag «besorgt» über die Lieferung der S-400. «Wir sind besorgt über die möglichen Konsequenzen der Entscheidung der Türkei zum Kauf des S-400-Systems», sagte ein Nato-Vertreter. Die Interoperabilität der Streitkräfte sei essentiell für die Operationen der Nato. Die Nato hat wiederholt gewarnt, das russische System sei nicht kompatibel mit dem Luftverteidigungssystem des westlichen Bündnisses.
In den USA und Europa wird der Kauf der russischen Raketen als weiterer Schritt der Türkei hin zu einer Abwendung von ihren westlichen Partnern gesehen. Der Türkei drohen nun neben dem Ausschluss vom F-35-Programm weitere Sanktionen gemäss dem Caatsa-Gesetz, das Geschäfte mit russischen Rüstungsfirmen unter Strafe stellt. US-Sanktionen könnten die ohnehin angeschlagene türkische Wirtschaft hart treffen.
Präsident Recep Tayyip Erdogan äusserte sich nach einem Treffen mit seinem US-Kollegen Donald Trump Ende Juni aber zuversichtlich, dass keine Sanktionen verhängt würden. Trump zeigte Verständnis für Erdogans Entscheidung zum Kauf der S-400 und machte die Regierung seines Vorgängers Barack Obama verantwortlich, da sie der Türkei kein gutes Angebot zum Kauf von US-Patriot-Raketen gemacht habe.
Die Expertin Amanda Sloat vom Brookings Institute äusserte aber Zweifel, dass die Türkei Sanktionen entgehen könne. «Die US-Regierung hat immer wieder bestätigt, dass die Lieferung der S-400 die Verhängung von Sanktionen gemäss Caatsa auslösen würde», sagte sie. Angesichts der Gesetzeslage und des Interesses des Senats an der Frage sei schwer absehbar, wie die Regierung keine Sanktionen verhängen könne.
Der Experte Nick Heras vom Center for a New American Security sagte, die S-400 würden die türkische Luftabwehr revolutionieren. Die Türkei sei von Staaten mit hoch entwickelten Luftwaffen umgeben und brauche ein System wie die S-400 zur Verteidigung. Es sei «kein Geheimnis», dass Erdogan die Türkei zu einer «eurasischen Macht» machen wolle. «Es gibt keine Garantie, dass die Türkei ewig im US-Lager bleibt», sagte Heras.