Die Jagd soll zum Sport erklärt werden, um Corona-Einschränkungen zu entgehen, fordert ein SVP-Nationalrat. Nicht nur der Tierschutz ist irritiert.
Jagd Gruppe Hund
Der Jagdaufseher Martin Gujan, der Schweisshundeführer Konrad Flütsch und der Junghundeführer Marcel Fritsche auf einer Nachsuche nach einem verletzten Wild zum Auftakt der Bündner Hochjagd - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Jagd soll als Sport bezeichnet werden, fordert ein SVP-Nationalrat.
  • Damit würden Gruppenjagden auch unter Covid-Regeln wieder erlaubt.
  • Der Tierschutz glaubt, sich verhört zu haben, aber auch Jäger sind kritisch.
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Mit den Mitte Dezember verhängten Massnahmen war für Jagd in der Gruppe plötzlich Schluss. Gesellschaftsjagden, Vereinsjagden und Sonderjagden seien «öffentliche Veranstaltungen» und damit verboten, hiess es. Daran störte sich SVP-Nationalrat Jacques Nicolet, denn gleichzeitig waren sportliche Aktivitäten im Freien weiterhin erlaubt. Via Vorstoss will er vom Bundesrat deshalb wissen, ob die Jagd nicht auch als Sport betrachtet werden könne.

Tierschutz: Unsinnig und verabscheuungswürdig

Auf Anfrage von Nau.ch reagiert der Präsident des Schweizer Tierschutz STS, Heinz Lienhard, empört. Lienhard will zunächst kaum glauben, dass ein Parlamentarier auf einen «derart unsinnigen Gedanken» kommen könnte. «Ich glaubte zuerst an eine Fake News», erklärt er völlig entsetzt.

Heinz Lienhard Jacques Nicolet
Heinz Lienhard (mit Hündin «Yoda»), Präsident Schweizer Tierschutz (STS), links, und SVP-Nationalrat Jacques Nicolet, rechts. - Keystone

«Jagd heisst Tiere töten», betont Lienhard, und das Töten von Lebewesen könne nicht als Sport definiert werden. Wer dies wolle, habe nicht die mindeste Ahnung vom Tierschutzgedanken, so wie er von unserer Gesellschaft heute gelebt werde. «Jeder einigermassen normal empfindende Mensch, auch jeder Jäger, muss den Vorschlag von Nationalrat Nicolet verabscheuen.»

JagdSchweiz distanziert sich

Damit scheint Lienhard ins Schwarze zu treffen. Auch beim Dachverband JagdSchweiz will man vom Vorstoss Nicolets gleich aus mehreren Gründen nichts wissen. Einerseits pflichtet man dem Tierschutz bei, dass die Jagd nicht ansatzweise etwas zu tun habe mit Sport. Andererseits, betont Geschäftsführer David Clavadetscher, habe man mit dem Bund bereits eine Lösung gefunden.

Gruppenjagd Neudorf Jagdhornbläser
Jagdhornbläser geben die letzte Ehre für das erlegte Wild (Jagdstrecke) beim Jagdhaus Linde im Lindenwald, am 26. Oktober 2016, in Neudorf LU. - Keystone

Da sich die Covid-Regelung nicht explizit zur Jagd äussere, habe man sich mit dem Bundesamt für Umwelt abgesprochen. Man sei übereingekommen, dass in der Logik des Bundesrats, rein epidemiologisch betrachtet, Jagd am ehesten einer «Sportaktivität im Freien» entspreche. Deshalb gelte auch dort die 5-Personen-Regel – aber nicht, weil die Jagd eine Sportart wäre.

Clavadetscher gibt aber noch einen weiteren Punkt zu bedenken. Die Anfrage von Nationalrat Jacques Nicolet werde ja voraussichtlich erst im März behandelt. Dann gebe es so oder so keine Gruppenjagden mehr, sondern erst im Herbst wieder.

Nicolet: «Halte daran fest»

Es sind also nicht nur die ethischen Fragen rund um die Wortwahl, ob «Jagd» ein «Sport» sei. Auch rein organisatorisch wäre selbst aus Sicht der Jäger der Vorstoss längst obsolet. Auf Anfrage von Nau.ch sagt Nationalrat Jacques Nicolet aber: «Ich halte an meinem Text fest.»

Jäger Hirsch Tessin
Jäger bringen einen erlegten Hirsch zur Wäge- und Kontrollstelle in Gudo, Tessin am 1. September 2015. - Keystone

Doch selbst wenn seinem Anliegen noch im Dezember entsprochen worden wäre, wäre dies fallweise ein Schuss in den Ofen gewesen. So hat der Kanton Graubünden Mitte Dezember entschieden, dass auch wildbiologisch betrachtet eine Fortsetzung der Jagd keinen Sinn mache. Der Grund: Zu viel Schnee – dagegen ist selbst der Bundesrat machtlos.

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