25 westliche Länder sollen Schweizer Waffen nicht nur kaufen, sondern auch bewilligungsfrei weitergeben können. Dies stärke die Neutralität, so die Befürworter.
Werner Salzmann, SVP-Ständerat, sagt: «So ist es einfacher, neutral zu sein» - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Ständerat will die (Wieder-)Ausfuhr von Kriegsmaterial erleichtern.
  • 25 westliche Länder sollen dazu meist keine Bewilligung mehr benötigen.
  • Gegner warnen vor Schweizer Waffen in Kriegsgebieten und kündigen ein Referendum an.
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Die Schweizer Rüstungsindustrie soll beim Export von Kriegsmaterial künftig weniger strenge Regeln befolgen müssen. Ausfuhren in kriegsführende Nato-Staaten und die Weitergabe von exportierten Gütern sollen grundsätzlich möglich sein. Das hat der Ständerat beschlossen.

Damit soll der Schweizer Rüstungsindustrie geholfen werden. Diese sei in letzter Zeit stark unter Druck gekommen sei, so Ständerat Werner Salzmann (SVP/BE) im Nau.ch-Interview.

Dies aber könne man sich nicht leisten: «Denn die Rüstungsindustrie ist zentral für die Verteidigungsfähigkeit und eine glaubwürdige, bewaffnete Neutralität der Schweiz.»

Referendum bereits angedroht

Der Ständerat hat am Mittwoch entsprechende Änderungen des Kriegsmaterialgesetzes gutgeheissen, mit 31 zu 11 Stimmen bei einer Enthaltung.

Die Lockerung beantragt hatte die Sicherheitspolitische Kommission des Ständerats (SIK-S). Sie wich vom Vorschlag des Bundesrats ab und ging weiter als dieser.

Ständerätin Franziska Roth (SP/SO) warnt: Bald könnte unter anderem Argentinien «mit dem Kettensäge-Präsidenten» bewilligungsfrei Schweizer Kriegsmaterial kaufen und auch weitergeben. - Nau.ch

Stimmt auch der Nationalrat zu, sei ein Referendum darum um so wahrscheinlicher, mahnte SP-Ständerätin Franziska Roth.

Die GSoA hat ein solches bereits vorsorglich beschlossen – und es sei auch zu gewinnen, so Roth. Das Stimmvolk wolle der Ukraine helfen und man könne aufzeigen, dass dies nun nicht der Fall sei. «Deshalb bin ich überzeugt, dass ein Referendum auch eine Chance hat.»

SVP-Salzmann: «So ist es einfacher, neutral zu sein»

Gemäss Beschluss der kleinen Kammer sollen Kriegsmaterialexporte in 25 westliche Länder, darunter ein Grossteil der Nato-Staaten, grundsätzlich erlaubt werden.

Der Bundesrat könnte Exporte in diese Länder nur ablehnen, wenn ausserordentliche Umstände vorliegen. Dazu müssten die aussen- oder sicherheitspolitischen Interessen der Schweiz eine Ablehnung erfordern.

Ist die Schweizer Neutralität noch zeitgemäss?

Heute ist es verboten, in Länder zu exportieren, die in interne oder internationale Konflikte verwickelt sind. Diese Hürde soll fallen.

Neu sollen Länder das erhaltene Kriegsmaterial ohne Zustimmung der Schweiz auch an ein anderes Land weitergeben können.

Die kleine Kammer nahm einen entsprechenden Einzelantrag von Thierry Burkart (FDP/AG) an, mit 29 zu 13 Stimmen bei einer Enthaltung. Heute muss der Bundesrat solche Gesuche mit Verweis auf geltendes Recht ablehnen, was im Ausland regelmässig für Kritik sorgt.

Ukraine Krieg
Deutsche Soldaten vor einem Schützenpanzer Marder. Bei der von der Schweiz verweigerten Weitergabe von deutschem Kriegsmaterial an die Ukraine handelt es sich um in der Schweiz hergestellte Munition für diesen Schützenpanzer. (Archivbild) - keystone

So werde es einfacher, neutral zu sein, sagt SVP-Ständerat Werner Salzmann: «Wenn wir zum Zeitpunkt der Lieferung entscheiden, ob wir das Neutralitätsrecht einhalten. Wenn das Gut einmal geliefert ist, ist der Käufer verantwortlich.»

Salzmann vergleicht dies mit einem Auto-Verkauf. Ist der Handel einmal abgewickelt, sei der Käufer verantwortlich. «Wenn er danach das Auto für einen Terroranschlag missbraucht, um in eine Menschenmenge zu fahren: Dann kann man die Verantwortung auch nicht übernehmen.»

Schweizer Waffen für den «Kettensäge-Präsidenten»?

Für Salzmann ist klar: Man habe nicht etwa die Neutralität dem Profit geopfert. Es gehe darum, die Balance zwischen sicherheitspolitischen Interessen und den ethisch-moralischen Interessen wiederherzustellen. «Das haben wir jetzt korrigiert, sodass wir die Sicherheitspolitik wieder in den Fokus rücken.»

So aber bestehe eine grosse Gefahr, dass Kriegsmaterial aus der Schweiz in Unrechtsstaaten lande, warnt Ständerätin Franziska Roth (SP/SO). So sei etwa Ungarn auf der Länder-Liste und es sei nun möglich, dass dieses Schweizer Waffen an Putin weitergebe. «Am Schluss wird es noch gegen uns selbst eingesetzt. Oder Argentinien ist auf der Liste, mit dem Kettensäge-Präsidenten.»

Javier Milei, selbst ernannter «Anarchokapitalist» und Präsidentschaftskandidat, schwenkt eine Kettensäge mit seinem Namen auf einer Wahlkampfveranstaltung.
Argentiniens Präsident Javier Milei, selbst ernannter «Anarchokapitalist», schwenkt eine Kettensäge auf einer Wahlkampfveranstaltung. - Natacha Pisarenko/AP

Oder die USA: «Heute ist man sich wohl schweizweit recht einig, dass die USA im Moment gerade die Rechtsstaatlichkeit mit Füssen tritt.» Für sie handelt die bürgerliche Mehrheit im Ständerat in Sachen Neutralität inkonsequent.

Die «Leute hier drinnen» wollten einerseits bei den Sanktionen gegen Russland immer mehr zurückrudern. Das gleiche Ziel verfolge auch die Neutralitäts-Initiative, klagt Roth. «Aber das Kriegsmaterial will man einfach liefern – das ist absurd.»

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