Erreichen die Jugendlichen die geforderten Grundkompetenzen in Schulsprache und Fremdsprachen? Eine schweizweite Studie zeigt teils überraschende Ergebnisse.
Christophe Darbellay, Walliser Staatsrat und Präsident der Erziehungsdirektorenkonferenz, wehrt sich gegen eine Bevorzugung des Englischen an den Schulen. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Harmonisierung des Sprachunterrichts in den Schulen kommt gut voran.
  • Viele Jugendliche erreichen die gesteckten Ziele in Schul- und Fremdsprachen aber nicht.
  • Dies zeigt erstmals eine landesweite Studie im Auftrag der Kantone.
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Gemäss Bundesverfassung müssen die Kantone ihr Schulwesen harmonisieren. Umgesetzt wird diese Vorgabe mit dem HarmoS-Konkordat. Eine Erhebung im Auftrag der Kantone zeigt nun erstmals, wie es mit den Grundkompetenzen bei den Sprachen steht.

Frühfranzösisch, Frühenglisch – oder einfach die Schulsprache

Dabei zeigt sich: Mit Fremdsprachen sowie der jeweiligen Schulsprache gibt es grundsätzlich positive Ergebnisse. Es zeigen sich aber auch deutliche Unterschiede – und nicht unbedingt dort, wo man sie erwarten würde.

Frühfranzösisch
Der Französischunterricht ist an immer mehr Schweizer Primarschulen umstritten.
Englisch Schule
Stattdessen sollen die Kinder zuerst Englisch lernen.
Schule
Für die Schüler bedeutet das, dass sie erst später mit einer zweiten Landessprache in Kontakt kommen.

Der Präsident der Erziehungsdirektoren-Konferenz, der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay, wertet es als positiv, wie gut man bei der Harmonisierung vorangeschritten sei. Auch gebe es gute Resultate in den Schulsprachen, sowohl in der Deutsch- wie in der Welschschweiz.

Die Problempunkte seien aber auch klar: «Die Rechtschreibung in der Welschschweiz, wo die Resultate nicht auf dem erwarteten Niveau sind. Und das Französisch in der Deutschschweiz, wo das Niveau nicht so brillant ist», so Darbellay gegenüber Nau.ch

Romands können schlecht Französisch

In der Tat erstaunt, dass in der Romandie weniger als die Hälfte der getesteten Schülerinnen und Schüler die Grundkompetenzen in Rechtschreibung erreicht. Nota bene: In ihrer eigenen Schulsprache. Können die Appenzeller bald besser «Franz» als «les Welsches»?

Französisch Orthografie
Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Grundkompetenzen in Rechtschreibung in der Schulsprache Französisch erreichen, nach Kantonen. Schraffiert ist das Vertrauensintervall, dunkelgelb dargestellt sind Kantone, die statistisch signifikant vom Durchschnitt abweichen. - EDK

Das könne man so nicht vergleichen, widerspricht Darbellay. Nur die Schulsprache könne national verglichen werden, der Rest nur innerhalb der Sprachregion. Und dort schneidet insbesondere Appenzell Innerrhoden schlecht ab.

Innerrhödler müssen über die (Deutsch-)Bücher

Dabei war es Appenzell Ausserrhoden, das mit der Abschaffung des Frühfranzösisch-Unterrichts Schlagzeilen machte. Die Innerrhödler Schulkinder der Stufe 11H schneiden aber durchs Band unterdurchschnittlich ab: In Englisch, in Französisch sowieso, aber auch in der Schulsprache Deutsch.

Leseverstehen in Schulsprache
Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Grundkompetenzen im Lesen in der Schulsprache erreichen, nach Kantonen. Schraffiert ist das Vertrauensintervall, dunkelgelb dargestellt sind Kantone, die statistisch signifikant vom Durchschnitt abweichen.
Fremdsprache Englisch Grundkompetenz
Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Grundkompetenzen im Lesen in der Fremdsprache Englisch erreichen, nach Kantonen. Schraffiert ist das Vertrauensintervall, dunkelgelb dargestellt sind Kantone, die statistisch signifikant vom Durchschnitt abweichen.
Frühfranzösisch Grundkompetenz
Anteil der Schülerinnen und Schüler, die die Grundkompetenzen im Lesen in der Fremdsprache Französisch erreichen, nach Kantonen. Schraffiert ist das Vertrauensintervall, dunkelgelb dargestellt sind Kantone, die statistisch signifikant vom Durchschnitt abweichen.

Die Gründe dafür sind unklar, aber das Resultat «nicht befriedigend», schreibt das Erziehungsdepartement. Zur eigenen Verteidigung führt man an, dass man als Kleinkanton im Nachteil sei: «Es gilt zu beachten, dass die Stichprobe von knapp 150 Schülerinnen und Schülern markant kleiner ist als in anderen Kantonen.» Immerhin bestätigen auch die Studienmacher, dass es gut möglich sei, dass bei kleinen Stichproben die Resultate stark abweichen könnten.

Geschlecht als Faktor, Migrationshintergrund aber nicht

Erwartungsgemäss gut abgeschnitten haben Schülerinnen und Schüler aus zweisprachigen Kantonen. Austausche unter Schulklassen wirkten Wunder, berichtete Darbellay aus eigener Erfahrung – und solche finden im Wallis eher einmal statt. Deutlich wurde auch, dass Mädchen die in der obligatorischen Schulzeit geforderten Grundkompetenzen eher erreichten als Knaben. Auch Jugendliche mit privilegierter sozialer Herkunft erreichten die Lernziele häufiger als Benachteiligte.

Wie viele Landessprachen sprichst du?

Bei Jugendlichen mit Migrationshintergrund war zwar eine leichte Benachteiligung feststellbar, doch diese ist statistisch nicht signifikant. Gleiches gilt für zuhause gesprochene Sprachen. Hingegen spielt die soziale Herkunft eine Rolle.

Lieber Englisch für alle? «Würde Teil der Schweiz kaputt machen»

Nicht überraschend ist dagegen, dass gesamtschweizerisch die Grundkompetenzen in Englisch besser sind als in der jeweilig fremden Landessprache. Ein Argument für nur eine Fremdsprache in der Primarstufe – nämlich Englisch?

Bloss nicht, findet der Walliser Staatsrat Christophe Darbellay. Einerseits habe man in der Schweiz einen Kompromiss gefunden und gesetzlich festgelegt. Englisch gehöre so oder so dazu, aber es brauche den zusätzlichen Effort, dass man eine zweite Landessprache lernen muss: «Sei es Deutsch in Genf oder Französisch in Appenzell.»

Alles nur auf Englisch zu machen, das sei vielleicht etwas für Banken oder die Versicherungsbranche, findet Darbellay. «Aber da würde ein Teil der Schweiz kaputt gehen. Ein Teil der nationalen Kohäsion wäre gefährdet.»

Rund 18'500 Jugendliche getestet

Alle Kantone ausser Zug machten bei der Überprüfung des Erreichens der Grundkompetenzen (ÜGK) mit. Getestet wurden bei rund 18'500 Jugendlichen, die am Ende ihrer obligatorischen Schulzeit angelangt waren, die Kompetenzen in der Schulsprache – Deutsch, Französisch respektive Italienisch.

Im Deutsch als Schulsprache hatten 82 respektive 84 Prozent der Jugendlichen die verlangten Grundkompetenzen in Lesen und Rechtschreibung. Tief war der Anteil mit 41 Prozent beim Französisch. Im Tessin hatten 77 Prozent der Schülerinnen und Schüler im letzten Schuljahr die Italienisch-Grundkompetenzen.

Weniger gross war der Anteil der Jugendlichen mit erreichten Grundkompetenzen im Fremdsprachenunterricht. Getestet wurde – je nach Kanton – das Hör- und Leseverstehen in Deutsch, Französisch und Englisch. Zwischen 51 und 58 Prozent lagen die Mittelwerte für das Lesen und Hören in Deutsch und Französisch.

In Englisch hatten 75 Prozent die Grundkompetenzen beim Leseverstehen. Beim Hörverstehen lag der Anteil der Jugendlichen mit erreichtem Niveau bei 85 Prozent. Die Unterschiede von Kanton zu Kanton sind beträchtlich. Die Getesteten wurden zum Teil erst seit kurzer Zeit gemäss den neuen sprachregionalen Lehrplänen unterrichtet.

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