Spendier-Offensive der AKW-Genossenschaft spaltet Politiker

Das Wichtigste in Kürze
- Hochproblematisch, skandalös, propagandistisch findet Felix Wettstein die Nagra-Einladung.
- Als informativ, sinnvoll, unbedenklich erfuhr hingegen Stefan Schmid die Info-Reise.
- Auch wenn die Einladungen rechtlich legitimiert sind: Die Praxis sorgt für Diskussionen.
Kantonalparlamentarier verschiedener Kantone sowie alle National- und Ständeräte erreichte letzte Woche ein Brief der Nagra. Sie werden für Informationsreisen im In- und Ausland eingeladen – bezahlen müssen sie keinen Rappen.
Felix Wettstein: «Ein riesengrosses Problem»
Auch Grünen-Nationalrat Felix Wettstein erhielt eine Einladung. «Mein erster Gedanke war: ‹Das darf nicht wahr sein, das ist skandalös.› Mein zweiter Gedanke war: ‹Hoffentlich lässt sich kein Mitglied des Parlaments darauf ein, sich diese Reise zahlen zu lassen.›»
Für Wettstein ist es «ein riesengrosses Problem», wenn sich Politiker derartige Reisen bezahlen lassen. Aber nicht nur unter dem Aspekt der Beeinflussung, welchen die Nagra mit Verweis auf ihren – von Bundesrat und sogar Bundesanwaltschaft legitimierten – Informationsauftrag abtut.

Der Grünen-Nationalrat stört sich daran, dass die Nagra davon ausgeht, «dass die Lagerung radioaktiver Abfälle lösbar sei respektive, dass diese Lösung in Griffweite sei». Dies kommuniziere sie mit ihren Info-Reisen implizit. «Das ist nicht Information, das ist Propaganda.»
Stefan Schmid berichtet von Teilnahme
Anders sieht es Stefan Schmid. Der Zürcher Kantonsrat hat 2019 an einer solchen Nagra-Informationsreise teilgenommen. Dass Hotel und Flug bezahlt werden, findet er grundsätzlich in Ordnung, das Essen könne man jedoch selbst zahlen, so Schmid.
Die Reisegruppe sei sowohl politisch als auch regional gemischt gewesen, berichtet Schmid. Die Teilnehmer stammten aus einer potenziellen Standortregion, wie auch Schmid, der aus dem potenziellen Standortbezirk Dielsdorf kommt.
«Auch wurden uns in Deutschland die Risiken mit harten Fakten vorgeführt. Insofern empfand ich die Reise weder die Standortregionen gegeneinander ausspielend noch thematisch schönfärberisch. Aus diesen Gründen finde ich die Reise sinnvoll und auch für den demokratischen Prozess unbedenklich.»

Stefan Schmid verfügte bis dahin über rein theoretische Kenntnisse, was die Lagerung radioaktiver Abfälle betrifft. «Ich habe gelernt, wie Schweden und Deutschland die Lagerung völlig verschieden angehen und welche geologischen Gegebenheiten sie sich zunutze machen.»
Intensive Tage und bescheidene Unterkunft
«Ebenfalls in Schweden erhielten wir Einblick in verschiedene Verfahren, wie radioaktive Abfälle in Behältnisse für Transport und Lagerung verpackt werden. In Deutschland besuchten wir eine sich im Bau befindende Schachtanlage und befassten uns auch intensiv mit den Risiken.»


Die Kritik könne er in gewissem Masse verstehen, so Kantonsrat Schmid. «Insbesondere, wenn von der Reise ein feudales Bild gezeichnet wird. Tatsächlich handelte es sich um intensive lange Tage mit vollem Informationsprogramm und zweckmässiger, aber bescheidener Unterkunft.»
Was halten Sie davon, dass die Nagra Schweizer Politiker zu Informationsreisen einlädt?
«Es ist die Pflicht unserer Generation, radioaktive Abfälle möglichst sicher zu verwahren und dafür endlich eine Lösung zu finden», erklärt Schmid. «Wenn die Reisen einen Beitrag zur Versachlichung der Diskussion in den Standortregionen leisten und dafür bald eine gute Lösung gefunden wird, waren sie es Wert.»