Die Pflegefachleute preschen mit Forderungen vor während der Corona-Krise. Das kommt im Parlament nicht nur gut an.
Regine Sauter FDP
FDP-Nationalrätin Regine Sauter spricht während der Frühlingsession der Eidgenössischen Räte, am 4. März 2020 im Nationalrat in Bern. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Der Berufsverband der Pflegefachpersonen hat einen offenen Brief geschrieben.
  • Die Forderungen seien nur zum Teil berechtigt, sagt FDP-Nationalrätin Regine Sauter.
  • Ihr missfällt der forsche Ton während der Corona-Krise.
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Mit einem offenen Brief gelangt der Berufsverband der Pflegefachpersonen SBK an die Parlamentarier. Das systemrelevante Gesundheitspersonal fordert eine finanzielle Abgeltung der Sonderefforts wegen dem Coronavirus und eine sofortige Umsetzung der Pflegeinitiative.

Bei FDP-Nationalrätin und Gesundheitspolitikerin Regine Sauter sorgt das aber für Abwehr-Reflexe, wie sie im Interview mit Nau.ch erläutert.

Nau.ch: Wie kommt der offene Brief des SBK an die Parlamentarier bei Ihnen an?

Regine Sauter: Es haben ja zahlreiche Gruppierungen jetzt ihre Anliegen vorgebracht – das ist ja auch ihre Aufgabe. Da schliesse ich mich als Direktorin der Zürcher Handelskammer mit ein. Aber der Brief des SBK kommt nun doch sehr forsch daher.

Gesundheits- und Krankenpfleger
Pflegefachfrauen des Universitätsspitals Genf (HUG) zeigen die Herz-Geste als Dank für die Unterstützung aus der Bevölkerung während der vom Coronavirus verursachten Pandemie jeden Abend um 21 Uhr, am 19. März 2020. - Keystone

Die Pflegefachleute haben sicher eine sehr anstrengende Arbeit und ihr grosser Einsatz während der Krise ist zu würdigen. Andererseits gibt es aktuell viele Unternehmer, die vor einer existentiell schwierigen Situation stehen. Und viele wissen nicht, ob sie nach der Krise noch einen Job oder ein Geschäft haben. Die Forderungen des SBK stehen dazu doch sehr in einem Kontrast.

Nau.ch: Also haben die Pflegefachleute das Pech, dass das Coronavirus für andere Branchen einfach schlimmere Folgen hat als für sie selbst?

Regine Sauter: Die Pflegefachleute haben ein festes Anstellungsverhältnis und ein gesichertes Einkommen. Es ist Aufgabe der Spitäler als Arbeitgeber, darüber zu entscheiden, ob der Einsatz während der Corona-Krise speziell honoriert werden soll. Auf der anderen Seite ist die finanzielle Perspektive für viele Spitäler nicht rosig, da ihnen durch die Unterbelegung Einnahmen wegbrechen. Die Forderung nach einem Sonderbonus ist darum schon etwas schwierig.

Coronavirus Blumenladen KMU
Ein Telefon zum Anmelden hängt bei einem Blumenladen während der Pandemie des Coronavirus (Covid-19), am Mittwoch, 22. April 2020 in Bern. - Keystone

Nau.ch: Der andere im offenen Brief angesprochene Punkt ist die Pflegeinitiative. Der Berufsverband der Pflegefachkräfte (SBK) ist Mit-Initiant und zählt auf noch mehr Goodwill wegen dem Coronavirus. Die Initiative soll vollumfänglich umgesetzt werden. Stossen sie damit auf offene Ohren?

Regine Sauter: Dort rennen sie offene Türen ein, denn diese Debatte läuft ja zur Zeit bereits. Beim Gegenvorschlag ist jetzt der Ständerat am Zug.

Die Problematik ist dort eine andere. Gemäss aktuellem Stand der Beratungen soll der Bund den Kantonen vorschreiben, wie mit viel Geld sie die Pflege-Ausbildung fördern sollen. Das geht aus Sicht des Föderalismus natürlich nicht.

Pflegeinitiative Einreichung
Pflegefachpersonen vom Schweizer Berufsverband der Pflegefachfrauen und Pflegefachmänner SBK, reichen die Pflegeinitiative mit über 120’000 Unterschriften zur Volksinitiative für eine starke Pflege ein, am Dienstag, 7. November 2017, in Bern. - Keystone

Nau.ch: Gerät man als Parlamentarierin hier etwas in ein Dilemma? Einerseits will man wohl kaum gerade jetzt etwas gegen die medizinischen Berufe sagen und möchte am liebsten allen helfen. Andererseits ist es wohl nicht ganz einfach, objektiv zu bleiben, währendem die Corona-Krise noch gar nicht vorbei ist.

Regine Sauter: Das gilt ja aktuell in allen Bereichen. Deshalb müssen wir möglichst schnell wieder aus der Krisensituation heraus. Aber ohne dass unter dem Vorwand von Corona alte politische Anliegen auch noch schnell eingepackt werden. Wir sollten nicht auf vernünftige Kriterien verzichten, die wir vor der Krise gehabt haben.

Die Instrumente für die Bewältigung der Krise waren gut, aber jetzt heisst es zurück zum Normalzustand. Dies gilt insbesondere für die Wirtschaft. Bei der Pflege ist das Thema allerdings schon länger auf dem Tisch. Ihre Anliegen haben Sie schon längst vertreten und einige sind ja auch berechtigt.

Pflegefachfrau Coronavirus
Eine Pflegefachfrau bereitet einen nasalen Abstrich vor bei einem Patienten mit Verdacht auf Coronavirus vor. - Keystone

Die Initiative geht aber eindeutig zu weit, genau deshalb braucht es ja einen Gegenvorschlag. Alles werden wir aber darin sicher nicht erfüllen können.

Nau.ch: Aber es ist schon so, dass die Stimmung im Parlament gerade bezüglich der Pflegeinitiative deutlich verständnisvoller geworden ist?

Coronavirus
Die Schaffhauser Regierung hat einen einmaligen Zuschlag für das Pflegepersonal beschlossen. (Archiv) - Keystone

Regine Sauter: Ich hatte nie das Gefühl, dass es am Verständnis gefehlt hätte. Das wir zu wenige Pflegefachleute ausbilden, war schon länger klar. Aber über den richtigen Weg, diesen Mangel zu beheben, besteht Uneinigkeit.

Wenn der SBK schreibt, das Parlament müsse die Forderungen der Pflegeinitiative vollumfänglich umsetzen, ist das aus seiner Sicht zwar verständlich. Mit einem indirekten Gegenvorschlag und dem Rückzug der Initiative ginge es sicher schneller. Aber es ist ja nicht der Sinn eines Gegenvorschlags, dass er den Inhalt einer Initiative eins zu eins abbildet. Sondern dass er einen Kompromiss ermöglicht – sonst könnte man genauso gut auch direkt über die Initiative abstimmen.

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