FDP-Bundesrat und Aussenminister Ignazio Cassis will die neuen EU-Verträge nicht zwingend dem Volk unterstellen. Aus seiner Heimat hagelt es dafür Kritik.
Ignazio Cassis
Aussenminister Ignazio Cassis sorgt mit seiner Politik für Ablehnung in seiner Heimat. - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Vorlage zu den neuen EU-Verträgen unterliegt nicht dem obligatorischen Referendum.
  • Den Unterschied im Bundesrat machte die Stimme von Aussenminister Ignazio Cassis.
  • In seinem Heimatkanton Tessin stösst Cassis damit auf Kritik.
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Bundesrat Ignazio Cassis sieht sich ausgerechnet in seinem Heimatkanton Tessin immer stärkerer Kritik ausgesetzt. Dies berichten die «CH-Media»-Zeitungen. Das Fass zum Überlaufen brachte nun offenbar die Rolle, die Cassis beim neuen Vertragspaket mit der EU spielt.

Ende April entschied der Bundesrat, die neuen EU-Verträge nur dem fakultativen und nicht dem obligatorischen Referendum zu unterstellen.

Das bedeutet: Die Gegner des Vertragspakets müssen innerhalb von 100 Tagen 50'000 gültige Unterschriften zusammenbringen. Kommt es zu einer Abstimmung, muss nur die Mehrheit der Bevölkerung zustimmen, nicht aber die Mehrheit der Kantone.

Schweiz EU
Die Schweiz und die EU haben die Verhandlungen über ein neues Vertragspacket abgeschlossen. Hier Aussenminister Ignazio Cassis (rechts) bei einem Treffen mit EU-Handelskommissar Maros Sefcovic am WEF in Davos im Januar 2025.
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Der Bundesrat hat entschieden, die Vorlage in der Schweiz nicht dem obligatorischen Referendum zu unterstellen.
Ignazio Cassis
Die entscheidende Stimme gab Aussenminister Ignazio Cassis.

Bei diesem Entscheid zugunsten des fakultativen Referendums machte Cassis' Stimme den Unterschied. Im EU-skeptischen Tessin sorgt dies für Unmut.

Die Sonntagszeitung «Mattino della domenica» bezeichnet den Entscheid als «Schande» und Cassis als «Verräter». Politisch steht die Zeitung der Rechtspartei Lega dei Ticinesi nahe.

Die Tessiner Mitte-Bundespolitiker Fabio Regazzi (Ständerat) und Giorgio Fonio (Nationalrat) halten den Bundesratsentscheid für kontraproduktiv. Die EU-Verträge nicht zwingend dem Volk zu unterstellen, verstärke dessen Entfremdung zu den politischen Entscheidungsträgern. Dies geben die beiden im «Corriere del Ticino» zu bedenken.

Ignazio Cassis 1989 bei Diebstahl erwischt

Auch in Onlineartikeln von Tessiner Newsportalen sind viele verärgerte Reaktionen zu lesen. Ein Leser der «Weltwoche» sorgte nun sogar dafür, dass ein früher Fehltritt Cassis' wieder aufkommt.

Er übermittelte der Zeitung ein Polizeiprotokoll über einen Vorfall aus dem Jahr 1989. Der damals 27-jährige Ignazio Cassis wurde beim Versuch erwischt, zwei Videokassetten aus einer Migros-Filiale zu klauen.

Bist du zufrieden mit der Arbeit von Aussenminister Ignazio Cassis?

Bereits im Oktober 2022 berichtete der «Mattino della domenica» über den Vorfall – der Bericht fand damals jedoch wenig Beachtung. Der politischen Karriere des FDP-Bundesrates hat der Fehler nicht geschadet. Er liegt lange zurück und Cassis hat sich dafür entschuldigt.

Dennoch dürfte es kein Zufall sein, dass ein verärgerter Bürger diese Geschichte genau jetzt wieder aufkommen lässt.

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