Frühfranzösisch soll abgeschafft werden: Das sagen Romands

Das Wichtigste in Kürze
- Der Französischunterricht auf Primarstufe ist in mehreren Kantonen unter Druck.
- SP-Ständerätin Mathilde Crevoisier Crelier findet diese Entwicklung «schade».
- FDP-Nationalrat Alex Farinelli sagt: Sprachen sind mehr als nur ein Kommunikationsmittel.
Es ist eine Frage, die immer wieder hitzig diskutiert wird: Sollten Kinder in der Deutschschweiz auf Primarstufe noch Französisch lernen?
Nein, sagen mehrere Kantone. Der Kantonsrat in Appenzell Ausserrhoden hat eine Motion zur Abschaffung des Frühfranzösisch überwiesen. Im Kanton Schwyz prüft der Erziehungsrat die Abschaffung zumindest.
Das sind nur zwei Beispiele, die stellvertretend dafür stehen, dass «Français» auf Primarstufe immer mehr unter Druck gerät. Stattdessen sollen die Kinder als erste Fremdsprache Englisch lernen.
Verschiedenen politischen Akteuren macht diese Entwicklung Sorgen. Gegenüber Nau.ch forderte der Bündner Nationalrat Martin Candinas, der alle vier Landessprachen kann, beispielsweise: «Landessprache first!»
«Mehrsprachigkeit ist wichtiges Symbol des Zusammenhalts»
Und auch innerhalb der sprachlichen Minderheiten – in der Romandie und im Tessin – macht man sich Sorgen.
Die jurassische SP-Ständerätin Mathilde Crevoisier Crelier betont gegenüber Nau.ch, dass es ihr nicht darum gehe, mehrere Sprachen – beispielsweise Französisch und Englisch – gegeneinander auszuspielen.

Dennoch findet es die Präsidentin der ständerätlichen Bildungskommission «schade», dass das Frühfranzösisch nun unter Druck gerät. «Die Mehrsprachigkeit ist in der ‹Willensnation› Schweiz ein wichtiges Symbol des Zusammenhalts.»
FDP-Nationalrat: Sprachen sind nicht nur Kommunikationsmittel
Ähnlich sieht es der Tessiner FDP-Nationalrat Alex Farinelli. Die Frage sei, ob man die Sprache nur als Kommunikationsmittel oder als wichtiges kulturelles Element wahrnehme.
Im ersten Fall würde der Englischunterricht vielleicht tatsächlich genügen. Wobei man provokativ anfügen könne, dass bei den modernen technischen Mitteln künftig nicht einmal mehr das nötig wäre.
Für Farinelli ist aber zweiteres der Fall. Sprachen haben laut ihm einen «kulturellen, identitätsstiftenden und politischen Wert».

Im schweizerischen Kontext sei das Zusammenleben mehrere Sprachgemeinschaften nämlich «ein wesentlicher Bestandteil» des Landes. «Der frühe Unterricht der Landessprachen hat einen Wert, der über den praktischen Nutzen hinausgeht.»
Der Nationalrat, der auch in der parlamentarischen Gruppe Mehrsprachigkeit ist, führt aus: «Er ist eine Investition in das gegenseitige Verständnis, in die Solidarität zwischen den Regionen, in die Stärkung des föderalen Paktes.»
Wie viele Landessprachen sprichst du?
Farinelli spricht sich für das Lernen von Landessprachen auf Primarstufe aus. Diesen Unterricht aufzugeben, wie es einige Kantone tun, sei «ein Risiko für unser Modell des Zusammenlebens».
SP-Ständerätin: Überforderung ist kein Argument gegen Frühfranzösisch
Das oft angeführte Argument, dass Kinder mit zu vielen Fremdsprachen überfordert seien, lässt Crevoisier Crelier nicht gelten. «Je mehr Sprachen man kennt, desto einfacher ist es, neue Sprachen zu lernen», sagt die ausgebildete Übersetzerin.
Dazu kommt: Wenn Französisch zu Beginn tatsächlich schwieriger sei als Englisch, sei das eher ein Argument für Frühfranzösisch. «Wenn etwas schwieriger ist, müsste man eigentlich früher mit dem Lernen beginnen, damit man mehr Zeit hat.»

Englisch habe sowieso schon einen Wettbewerbsvorteil gegenüber der französischen Sprache. «Die Jungen kommen heutzutage leicht in Kontakt mit Englisch. Die Schule muss Englisch im Vergleich zum Französisch deshalb nicht noch zusätzlich fördern.»
Die Ständerätin appelliert an die Verantwortung der Kantone bezüglich der Förderung der Landessprachen. Diese sei in der Verfassung und im Sprachengesetz verankert.
Sprache ist in der lateinischen Schweiz ein wichtiges Thema
In der Romandie gebe es wegen der Sprachdebatte in der Deutschschweiz allgemein ein gewisses «Unverständnis», sagt Crevoisier Crelier. «Es herrscht eine Asymmetrie, denn in der Romandie gibt es keine solche Diskussion über den Deutschunterricht.»
«Im Tessin wird dieses Thema mit besonderer Sensibilität wahrgenommen», sagt auch Farinelli. Es gebe den Wunsch, dass Italienisch nicht nur als «regionale» Sprache wahrgenommen wird. Stattdessen sollte man sie als «integralen Bestandteil der Schweiz» sehen.