Ein Verlag nur für Autorinnen, ein Label nur für Rapperinnen- in der Kultur gibt es einige neue Projekte von Frauen. Im Fernsehen guckt die Generation Instagram «Princess Charming». Was hat es damit auf sich?
Die Kölner Rechtsanwältin Irina Schlauch ist die erste Frau, die in der neuen lesbischen Dating-Show «Princess Charming» auf die Suche nach ihrer grossen Liebe geht. Foto: Rene Lohse/TVNOW /dpa
Die Kölner Rechtsanwältin Irina Schlauch ist die erste Frau, die in der neuen lesbischen Dating-Show «Princess Charming» auf die Suche nach ihrer grossen Liebe geht. Foto: Rene Lohse/TVNOW /dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Frauenbuchläden und Frauenprojekte, das klingt nach 80er Jahren, lila Halstuch und nach Alice Schwarzer.
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Aber halt: Der Feminismus hat sich seitdem längst neu erfunden, auch in Deutschland.

Eine Debatte ist immer noch da: Überall nur Männer, wo bleiben die Frauen? Gerade in der Kultur und Popkultur hat sich in jüngster Zeit einiges getan, vom neuen Verlag für Literatur von Autorinnen bis zum Label für Rapmusikerinnen.

Der Ecco Verlag sitzt in Hamburg. Er bringt pro Saison fünf Titel von Frauen heraus, darunter Debüts, Bestsellernamen, wiederentdeckte Klassiker. «Ein kleines erlesenes Programm», sagt Laura Hage, die für die Pressearbeit zuständig ist. Als der Verlag Anfang des Jahres startete, war das Interesse demnach sehr gross und «durchweg wohlwollend».

Frauen nehmen das Zepter in die Hand

Geduldig antwortet Hage auf eine immer wiederkehrende Frage: Warum nur Frauen? Es gebe einfach eine grössere Aufmerksamkeit für Männer, erklärt Hage. Das Etikett «Frauenliteratur» klingt ihr dabei zu sehr nach Sparte. Besser findet sie «Female Empowerment» - ein Begriff, der umschreibt, wie Frauen bestärkt werden und das Zepter in die Hand nehmen. Das Ecco-Team besteht aus fünf Frauen, die bei der Führung gleichberechtigt sind. Das sei auch ein neues Konzept des Arbeitens, so Hage.

Neu ist ein Verlag mit Büchern von Frauen nicht, aber dieser steckt unter dem Dach eines grossen Players auf dem Buchmarkt: Harper Collins. «Unser Programm darf, ja, soll auch gerne irritieren», heisst es auf der Homepage. Das Ganze hat also etwas Wums. So wurde «Blond» von Joyce Carol Oates beim Literarischen Quartett im ZDF besprochen. Für Hage ein passender Titel im Programm: Es geht um die Männerfantasie und Filmlegende Marilyn Monroe, erzählt von einer berühmten Autorin. Bald kommt der nächste Schwung mit fünf Büchern, von Eva Baronsky («Die Stimme meiner Mutter»), Laura Dürrschmidt («Es gibt keine Wale im Wilmersee»), Kate Reed Petty («True Story»), Kristen Arnett («Ziemlich tote Dinge») und Alice Walker («Die Farbe Lila»).

Teeküchen-Ambiente war gestern

In Berlin-Neukölln hat kürzlich «She said» (Sie sagte) eröffnet, eine «Buchhandlung für Autorinnen und queeren Autor*innen» - mit Kaffeebar und cooler Einrichtung, kein Teeküchen-Ambiente wie in den Frauenbuchläden von früher. Das Interesse ist gross. Nach der Eröffnung mitten in der Corona-Zeit erzählte Gründerin Emilia von Senger im ZDF, manche hätten 1,5 Stunden gewartet, bis sie in den Laden reinkommen durften.

Nicht nur Frauen allgemein, auch Lesben und ihre Lebenswelt werden sichtbarer. Sie mussten früher mühsam in Buchhandlungen nach den einschlägigen Romanen oder Sachbüchern suchen, oft mit roten Ohren verbunden. Die amerikanische Comiczeichnerin Alison Bechdel hat dieses Lebensgefühl festgehalten.

Heute sind viele lesbische Stoffe in den Mainstream-Regalen und in Serien angekommen, online gibt es jede Menge zu kaufen und zu gucken, von «The L Word» bis «Feel Good». Im deutschen Fernsehen, beim Streaminganbieter TV Now, läuft gerade die erste lesbische Datingshow: «Princess Charming». Darin sucht die Rechtsanwältin Irina Schlauch unter lauter Single-Frauen nach einer Partnerin. Es ist Unterhaltung für die Generation Instagram, mit Romantik, Drama, Tränen und Sex-Talk.

Für Rapperinnen, die anecken

Auch in der Musikszene ist Bewegung. Rapmusik ist von Männern dominiert, die Texte bekanntlich oft provokativ und frauenfeindlich. Das junge Label 365XX setzt da einen Kontrapunkt. Es nennt sich «das erste All Female HipHop Label Europas» - im Programm sind ausschliesslich Rapperinnen. Ein «Meilenstein» ist dabei für Gründerin Lina Burghausen das Album «3,14» von Die P, einer Musikerin aus Bonn.

Burghausen beschreibt das Konzept so: «Wir möchten mit dem Label ein Angebot für Künstlerinnen schaffen, die nicht in das klassische Rollenbild der Female MC passen, wie es oft im HipHop-Mainstream dargestellt wird. Für Rapperinnen, die anecken, ist da oft wenig Platz.» In erster Linie sei es aber einfach nur ein HipHop-Label, das extrem gute Rapmusik herausbringen möchte.

«Frauen haben es nicht nur im HipHop nach wie vor schwerer als Männer», sagt Burghausen. «Man muss nur einen Blick auf die grössten Festivalbühnen und in die grössten Playlists werfen, sich Musikmagazine und Radiorotationen anschauen um zu sehen: This is a man's world, und das ganz unabhängig vom Genre.» Im HipHop sei das noch sichtbarer, weil es eben ein sehr provokantes und zudem sprachlastiges Genre sei. «Wir leben in einer patriarchalen Gesellschaft – und im HipHop wird das eben nochmal extremer dargestellt und ausgelebt.»

Den Spiess rumdrehen

Das Label bekomme von vielen Seiten viel Rückenwind. «Natürlich gibt es aber auch viele Menschen – sowohl in der Industrie als auch unter den Fans – die die Idee eines Female Rap Labels nicht gut finden, entweder weil sie die Notwendigkeit nicht wahrnehmen oder weil es sie echauffiert, dass wir den Spiess umdrehen: In der Musikindustrie ist es ja durchaus üblich, dass Männer überall reinkommen – und Frauen eben nur in Ausnahmefällen.» Nun sei jetzt eben mal andersrum, und das «triggere» natürlich viele Menschen.

Triggern: Damit ist gemeint, wenn etwas die Leute sehr reizt und aufbringt. Kein seltenes Phänomen bei Frauenthemen. Die Argumente ihrer Gegner: Werden dann nicht Männer diskriminiert? Muss es denn noch sein, dass Frauen extra vorkommen, sind sie nicht längst schon gleichberechtigt? Sind sie nicht. Ein kleines Beispiel gibt eine Ausstellung zum Berliner Festival über Frauen in der Architektur («Women in Architecture»). Dort ist zu lesen: 2017 wurde kein einziges der 20 Top-Büros von einer Frau geführt. Und von den festangestellten Vollzeitarchitekten verdienten Frauen fast 30 Prozent weniger als die Männer.

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