Gross Feiern kann er nicht. Die Party will Klaus Urbanczyk aber nach der Corona-Pandemie nachholen. Er blickt auf ein ereignisreiches Leben. Auf Erfolge, aber auch Tragödien.
Klaus «Banne» Urbanczyk im Stadion des Halleschen FC. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa
Klaus «Banne» Urbanczyk im Stadion des Halleschen FC. Foto: Hendrik Schmidt/dpa-Zentralbild/dpa - dpa-infocom GmbH

Das Wichtigste in Kürze

  • Klaus Urbanczyk könnte eigentlich ein Buch schreiben.
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So viele Geschichten hat er auf dem grünen Rasen und ausserhalb des Fussballplatzes erlebt.

«Banne», wie er kurz genannt wird, wurde als einziger Kicker in der DDR im Jahr 1964 als Sportler des Jahres und auch als bester Fussballer geehrt - ein Novum in der Sportgeschichte des Landes. Zumal kein zweiter Fussballer jemals diesen Titel errungen hat. Heute wird Halles lebende Sport-Legende 80 Jahre alt.

«Wegen Corona fällt die grosse Party erst einmal ins Wasser und wird später nachgeholt. Ich verdünnisiere mich mit meiner Frau Karin, werde mit ihr meinen Ehrentag ausserhalb von Halle begehen. Den grossen Rummel mag ich sowieso nicht», sagt Urbanczyk im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur.

Vereinstreue, Bescheidenheit, Kampfgeist sowie die Liebe zu seiner Familie und dem Fussball zeichnen den knallharten Rechtsverteidiger sein ganzes Leben lang aus. 1959 gab er sein Debüt in der Oberliga für den SC Chemie Halle, wechselte trotz Abstieg und lukrativer Angebote aus dem Westen nie den Verein. «Ich hätte meine Familie niemals im Stich gelassen. Ausserdem hatte ich von meinem damaligen Nationaltrainer Karoly Soos die nötige Rückendeckung. Der hat mich auch berufen, obwohl ich mit Halle in der zweiten Liga kickte. Das war für mich eine Auszeichnung», sagt Urbanczyk.

Erfolge feierte «Banne» dennoch. 1962 der Sieg im FDGB-Pokal mit Halle, 1964 folgte der grösste Triumph mit dem Gewinn der Bronzemedaille bei den Olympischen Spielen in Tokio. Allerdings ist die Karriere des Strassenfussballers aus dem Süden Halles auch mit einer gewissen Tragik verbunden. So fehlte Urbanczyk in Tokio im Spiel um Platz drei, weil er im Halbfinale gegen den Tschechoslowakei eine schwere Knieverletzung erlitten hatte. Mehr als ein Jahr war der Meister des «Sliding Tackle» ausser Gefecht.

Der Verteidiger kämpfte sich zurück - und erlebte einige Jahre später das grösste Drama seines Lebens. Der HFC reiste Ende September 1971 nach Eindhoven. UEFA-Cup Erste Runde. Rückspiel. Doch das fand nie statt. In der Nacht vor dem Spiel brach ein verheerendes Feuer im Mannschaftshotel des HFC aus. Urbanczyk wird in den frühen Morgenstunden aus dem Schlaf gerissen - und zum Feuerhelden.

Der damals 31-Jährige sprang aus dem Fenster acht Meter tief auf ein Vordach, dann noch einmal sechs Meter runter. Trotz seiner schweren Verletzungen, die Urbanczyk dabei erlitt, kehrte er noch zweimal in das brennende Hotel zurück und rettete mehren Gästen das Leben. Dann brach er vor dem Hotel zusammen. «Ich bin dem Tod von der Schippe gesprungen», erinnert sich Urbanczyk. Insgesamt sterben zwölf Menschen, darunter ein junger HFC-Spieler. 20 Personen wurden schwer verletzt, unter ihnen Urbanczyk, dem die Amputation eines Beines drohte.

Doch ans Aufgeben dachte er nicht. «Ich wollte meine Karriere unbedingt auf dem Sportplatz beenden», erzählt der 34-malige Nationalspieler. Im Jahr darauf steht er wieder auf dem Platz. An seine Leistungen kann er nicht mehr anknüpfen, doch in seinem letzten Spiel feiert der HFC am 21. Mai 1972 ein rauschendes 5:1 gegen Union Berlin.

Urbanczyk wurde Trainer - natürlich vom HFC. Im ersten Jahr führte er die gerade abgestiegene Mannschaft 1974 zurück in die Oberliga. 1976 ging er ausgerechnet zum Erzrivalen nach Magdeburg. Mit den Blau-Weissen gewann Urbanczyk zweimal den Pokal (1978, 1979) und scheiterte 1978 nur denkbar knapp im Viertelfinale am späteren UEFA-Cup-Gewinner PSV Eindhoven (1:0, 2:4).

1995 hob er den FSV Lok Altmark Stendal auf die Fussball-Landkarte. Mit dem Aussenseiter erreichte Urbanczyk das Viertelfinale des DFB-Pokals, scheiterte dort erst im Elfmeterschiessen gegen Leverkusen.

Sein Herz aber schlägt rot-weiss. Es schlägt für seinen HFC. Bei jedem Spiel sitzt «Banne» auf der Haupttribüne, schön zentral, direkt unterhalb der Logen. Sein grosser Wunsch ist es, seinen Club noch einmal in der 2. Liga zu spielen zu sehen. Man mag es ihm bei all seinen Tragödien wünschen.

© dpa-infocom, dpa:200602-99-274525/3

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