Das Zürcher Parlament diskutiert am 28. Juni 2023 über die Abhängigkeit von Unterstützungsleistungen von der Erwerbstätigkeit. Hannah Locher (SP) lehnt dies ab.
Hannah Locher
Hannah Locher, Gemeinderätin der SP Stadt Zürich. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Unterstützungsleistungen sollen abhängig von der zumutbaren Erwerbstätigkeit sein.
  • Dies fordert ein Postulat der FDP.
  • Am 28. Juni 2023 bespricht dies der Gemeinderat von Zürich.
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An der Gemeinderatssitzung der Stadt Zürich vom 28. Juni 2023 wird über die «Gewährung städtischer Unterstützungsleistungen in Abhängigkeit der vollen Ausschöpfung der individuell zumutbaren Erwerbstätigkeit» gesprochen.

Das Postulat fordert, dass in Zürich zukünftig nur noch städtische Unterstützungsleistungen gewährt werden, wenn keine höhere Erwerbstätigkeit zumutbar ist.

Dadurch solle das freiwillige Kürzertreten bei der Erwerbsarbeit nicht mehr staatlich subventioniert werden.

Nau.ch hat bereits mit Hans Dellenbach (FDP), Mitverfasser des Postulats gesprochen. Nun haben wir uns mit Hannah Locher von der SP Stadt Zürich ausgetauscht. Sie lehnt den Vorschlag der FDP deutlich ab.

Nau.ch: Wie steht ihre Fraktion dazu, städtische Unterstützungsleistungen von der individuellen, zumutbaren Erwerbstätigkeit abhängig zu machen?

Hannah Locher: Das ist eine freche Forderung, die den Menschen vorschreiben möchte, wie sie ihr Leben zu gestalten haben und es geht davon aus «nur Erwerbsarbeit ist richtige Arbeit».

Dabei arbeiten viele Menschen Teilzeit, weil sie zusätzlich noch unbezahlte Care-Arbeit wie Kinderbetreuung oder Hausarbeit verrichten. Noch immer sind das insbesondere Frauen.

Für sie bedeutet das massive Einkommensausfälle während des Erwerbslebens und deutlich tiefere Renten nach der Pensionierung und damit die Gefahr von Altersarmut.

Anstatt Teilzeit-Arbeit zu bestrafen, sollten wir überlegen, welche Massnahmen es braucht, damit alle Menschen mehr Zeit haben – zum Beispiel durch bezahlbare Kinderbetreuung für alle.

Nau.ch: Was halten Sie davon, dass Menschen vermehrt auf Teilzeit-Arbeit und die damit verbesserte Work-Life-Balance setzen?

Hannah Locher: Wie gesagt, Teilzeit-Arbeit führt nicht per se und bei allen zu mehr Freizeit zu einer verbesserten Work-Life-Balance.

Es ist aber grundsätzlich begrüssenswert, wenn Menschen sich mehr Gedanken dazu machen, wie sie ihre Zeit einteilen, ob sie mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen oder anderen Engagements nachgehen wollen.

Weniger Arbeit kann auch als Gesundheitsprävention funktionieren und vor Burnouts schützen, wovon ja schlussendlich alle – Arbeitgebende und Arbeitnehmende – profitieren.

Halten Sie die Forderung der FDP für übertrieben?

Nau.ch: Gibt es konkrete Zahlen dazu, wie viel Prozent der Bevölkerung städtische Unterstützungsleistung beansprucht, obwohl sie mehr arbeiten könnte?

Hannah Locher: Nein, es gibt keinerlei Zahlen oder Erhebungen dazu. Es wäre auch im höchsten Masse unvernünftig und unseriös, hier Schätzungen abzugeben.

Nau.ch: Wie wird festgelegt, ob es für eine Person zumutbar ist, mehr zu arbeiten?

Hannah Locher: Das ist kaum festzulegen, geschweige denn messbar und selbst wenn, würde sich das ja ständig ändern: Bis zu welchem Alter des Kindes dürfte man denn zu wie viel Prozent Teilzeit arbeiten?

Verändert sich das mit dem Älterwerden des Kindes? Werden alle Krankheiten bei zu pflegenden Angehörigen gleich berücksichtigt oder gibt es da Unterschiede?

Das ist bürokratischer Irrsinn. Zudem will es den Menschen vorschreiben, wie sie richtig zu leben und zu arbeiten haben!

Nau.ch: Wie viele Franken können jährlich durch Annahme des Postulats eingespart werden?

Hannah Locher: Das ist unklar und dazu gibt es keine Zahlen. Was aber klar ist, sind die horrenden Kosten, die eine solche Bürokratie verursachen würde.

Bei jeder einzelnen Person müsste fortlaufend geprüft werden, was ihre individuelle zumutbare Erwerbstätigkeit ist.

Zur Person

Hannah Locher ist Mitglied der SP Zürich und sitzt seit dem Mai 2022 im Gemeinderat der Stadt Zürich.

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