

Stadtammann Zofingen: «Wir müssen weg von der Null-Fehler-Kultur»

Hans-Ruedi Hottiger ist seit 2006 Stadtammann von Zofingen und ist im Städtchen aufgewachsen. Im Interview erzählt er, wie sich seine Heimat in den letzten Jahrzehnten verändert hat und vor welchen Grossprojekten die Stadt noch steht.

Nau.ch: Hans-Ruedi Hottiger, wie sind Sie an ihren Posten als Stadtammann gekommen?
Hans-Ruedi Hottiger: Das Amt ist meine Leidenschaft, ich übe es auch nach 15 Jahren noch immer sehr gerne aus. Ich habe Germanistik studiert, war im Journalismus und in der Verlagsbranche tätig und habe das Projekt «Tele M1» aufgebaut. Im Bereich der Kommunikation habe ich mich entsprechend schon immer wohlgefühlt.
Nau.ch: Was schätzen Sie an Ihrem Amt als Stadtammann?
Hans-Ruedi Hottiger: Wenn man auf der untersten Staatsebene arbeitet, hat man einen sehr engen Kontakt zu den Bürgerinnen und Bürger. Gerade in so einer überschaubaren Stadt wie Zofingen. Ich kenne die Leute und die Leute kennen mich und man spricht sich gegenseitig auf der Strasse an.

Mittlerweile gibt es in unserer Stadt allerdings 12'000 EinwohnerInnen, also gehen nicht alle Angelegenheiten auf dem persönlichen Wege. Umso wichtiger sind eine gut funktionierende Verwaltung und eine effiziente Kommunikation.
Nau.ch: Welche Projekte in Zofingen sind derzeit aktuell?
Hans-Ruedi Hottiger: Die Verarbeitung der Corona-Situation, gerade in der Wirtschaft, beschäftigt uns intensiv. Wir sind in einem sehr anspruchsvollen Budgetprozess für 2021 und müssen davon ausgehen, dass wir im Steuerbereich einige Lücken haben werden.
Auch in der Sozialhilfe erwarten wir mehr Ausgaben von geschätzt einer halben Mio. Franken.

Obwohl wir beim Budget 2021 einige Projekte gestrichen und ins 2022 verschoben haben, bleiben wir optimistisch. Eine Steuerfusserhöhung ist dementsprechend für nächstes Jahr nicht geplant. Dies auch dank unserer guten finanziellen Ausgangslage.
Nau.ch: Stadtammann, ein 24-Stunden Job?
Hans-Ruedi Hottiger: Es ist sicher ein Job, in welchem man rund um die Uhr erreichbar ist. Ich kann allerdings gut abschalten, wenn ich die Bürotür schliesse. Einen Schreibtisch zu hinterlassen, der nicht immer aufgeräumt ist, gehört zum Amt.
Nau.ch: Welche grösseren Projekte werden Sie im nächsten Jahr in Anspruch nehmen?
Hans-Ruedi Hottiger: Das nächste Grossprojekt ist die Sanierung des Bahnhofs mit einer grossen Velostation. Komfort in diesem Bereich, auch für E-Bikes, gewinnt immer mehr an Bedeutung, welcher wir Rechnung tragen wollen.

Im Hintergrund läuft das Projekt Oberstufenzentrum, in welchem nicht nur Schülerinnen und Schüler von Zofingen, sondern auch von Brittnau und Strengelbach einquartiert werden. Eine teure Geschichte, zu der die Volksabstimmung zum Kreditbeschluss im kommenden Jahr stattfinden wird. Das Projekt kostet um die 35 Mio. Franken.
Nau.ch: Sie sind seit über 50 Jahren in Zofingen, wie hat sich die Stadt in den letzten Jahrzehnten verändert?
Hans-Ruedi Hottiger: Durch den Bahnhof haben wir hier eine sehr wichtige Mobilitätsdrehscheibe, nicht nur für Zofingen, sondern für die ganze Region. Die Zofingerinnen und Zofinger müssen sich noch intensiver mit dem Gedanken befassen, dass wir eine Stadt, ein Zentrum sind und damit eine Vorbildfunktion haben.

Diese Situation kann Ängste auslösen. Welche Veränderungen kommen auf uns zu, wie müssen wir uns anpassen? Wir befinden uns mittendrin in diesem Prozess.
Zofingen hat eine der schönsten und besterhaltenen Altstädte der Schweiz. Unsere Stadt pflegt zahlreiche Traditionen, hier finden regelmässig attraktive Veranstaltungen statt.
Darum ist es wichtig, optimistisch und zukunftsgerichtet in die nächsten Jahre zu schauen. Was brauchen wir noch, damit wir sowohl traditionell als auch urban sein können?
Nau.ch: Wo muss sich Zofingen noch verbessern?
Hans-Ruedi Hottiger: Verbesserungspotenzial gibt es vor allem beim Angebot an Arbeitsstellen im Dienstleistungssektor. Wir haben einen guten Arbeitsmarkt, fast so viele Arbeitsplätze wie EinwohnerInnen, aber die Arbeitsstellen sind grösstenteils im Produktionssektor angesiedelt.
Ziel ist es aber, hier noch mehr Innovation, mehr Neues zu schaffen. Es gibt jede Menge spannende Start-up-Ideen, welche in Zofingen gut Fuss fassen könnten.

Die Herausforderung liegt jedoch auch hier darin, die Bevölkerung für Neues zu begeistern, denn der sichere Boden wird nicht gerne verlassen. Hier etwas zu bewegen ist ein wichtiger Job von uns Politikerinnen und Politikern.
Aus diesem Grund bin ich dezidiert der Meinung, dass wir wegkommen müssen von einer reinen Sicherheits- und Null-Fehler-Kultur. Ohne Risiko gibt es auch keine Chancen. Der Blick nach vorne ist wichtig.
Nau.ch: Wie sieht Ihre Zukunft in Zofingen aus?
Hans-Ruedi Hottiger: Ich befinde mich in meiner letzten Amtsperiode, meine Amtszeit als Stadtammann ist Ende 2021 vorbei. Ich werde aber auch nach meinem Rücktritt sicher einige meiner anderen Ämter behalten, damit es keinen zu abrupten Wechsel gibt.