Der Regierungsrat hat das neue Gesetz über die Leistungen für Menschen mit einer Behinderung in die Vernehmlassung geschickt. Vorgesehen ist ein Systemwechsel weg von der Pauschalabgeltung von Institutionen hin zur Finanzierung des individuellen Betreuungsbedarfs der behinderten Menschen.
Ein Mann mit Rollstuhl an seinem Arbeitsplatz
Ein Mann mit Rollstuhl an seinem Arbeitsplatz - dpa/dpa/picture-alliance

Die Betroffenen sollen so mehr Selbstbestimmung erhalten und stärker mitreden können, wie sie leben und von wem sie betreut werden wollen. So wird beispielsweise das private Wohnen mit Assistenzdiensten für einen grösseren Personenkreis möglich.

Angehörige oder das nahe Umfeld von behinderten Menschen sollen neu eine Entschädigung erhalten. Bisher leisteten sie diese Aufgaben für Gottes Lohn.

Den Betreuungsbedarf, den eine Person aufgrund ihrer Behinderung hat, will der Kanton Bern mit einem standardisierten Verfahren ermitteln. Es nennt sich «Individueller Hilfeplan» und wird bereits seit einigen Jahren in verschiedenen deutschen Bundesländern und Kantonen der Schweiz eingesetzt, wie die bernische Gesundheitsdirektion am Montag mitteilte.

Kostenneutral lässt sich dies alles aber nicht umsetzen. Die Gesundheitsdirektion geht inzwischen von einer Kostenausweitung im Umfang von rund 20 Mio. Franken aus. Anfänglich war die Rede von Mehrkosten zwischen 70 und 100 Mio. Franken. Aufgrund verschiedener Anpassungen konnten die Mehrkosten gedämpft werden und betragen nun nicht mehr ganz zehn Prozent der Gesamtkosten.

Als der Kanton vor rund einem Jahr die Eckpfeiler der Vorlage skizzierte hatte, kam von den Behindertenverbänden auch Kritik. Nicht goutiert wurde unter anderem, dass der Kanton die Wahlfreiheit einschränken und bei Bedarf festlegen kann, in welchen Fällen in der Regel ein ambulanter oder stationärer Leistungsbezug finanziert wird.

So erhielten die Betroffenen nur scheinbar mehr Verantwortung und Mitsprache, kritisierten verschiedene Organisationen.

Gesundheitsdirektor Pierre Alain Schnegg (SVP) betonte hingegen am Montag vor den Medien laut Redetext, die betroffenen Menschen könnten, soweit sie mündig seien, viel freier als heute über ihr Leben mitbestimmen.

Gleichzeitig fördere die neue Finanzierungsform die unternehmerische Freiheit der Institutionen. Diese müsse nun für einen Menschen mit Beeinträchtigung attraktiv sein. «So attraktiv, dass dieser Lust darauf hat, dort zu wohnen und sich von den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern betreuen zu lassen. Die Institutionen werden so noch mehr als heute zu KMUs, die attraktive Angebote erbringen und sich auf dem Markt positionieren müssen», sagte Schnegg.

Der Kanton will das neue Gesetz Anfang 2023 in Kraft setzen. Die Vernehmlassung dauert bis am 23. Oktober 2020.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

GesetzFranken