Der Kanton Bern soll bei Enteignungen von Kulturland mehr bezahlen. Das fordert ein SVP-Grossrat aus dem Kandertal. Doch der Regierungsrat winkt ab. Aus einer Sicht ist das Vorhaben nicht verfassungskonform.
Grosser Rat Kantonsparlament Bern
Der Grosse Rat des Kantons Bern (Archivbild). - Keystone

Die bezahlten Preise für landwirtschaftliches Kulturland seien im Kanton Bern viel zu gering, monierte Grossrat Ernst Wandfluh aus Kandergrund. Sie bewegten sich zwischen zwei und zehn Franken pro Quadratmeter. Und zehn Franken gebe es nur für sehr guten, fruchtbaren Boden.

Aufgrund der niedrigen Preise lohne sich also eine Enteignung von Kulturland für den Staat, kommt Wandfluh zum Schluss und verweist auf eine Lösung, die der Bund jüngst für seine Enteignungen von Kulturland getroffen hat.

Das eidgenössische Parlament beschloss nämlich, dass die Enteignungsentschädigung das Dreifache des ermittelten Höchstpreises beträgt. Hier müsse der Kanton Bern nachziehen, forderte Wandfluh. Alles andere wäre ungerecht.

Doch der Regierungsrat sieht dazu keine Möglichkeit und empfiehlt dem Grossen Rat, die Forderung abzulehnen. Die Forderung wäre verfassungswidrig, hält er weiter fest.

Auch der Bundesrat habe die Regelung als nicht verfassungskonform taxiert, hält der Regierungsrat weiter fest. Doch das eidgenössische Parlament nahm die Neuregelung trotzdem an. Das kann es, da es in der Schweiz auf eidgenössischer Ebene keine Verfassungsgerichtsbarkeit gibt.

Das Bundesgericht kann im Sinne einer Anfrage die Verfassungswidrigkeit eines Bundesgesetzes zwar prüfen. Es kann den Gesetzgeber aber bestenfalls einladen, die fragliche Bestimmung zu ändern. Eine Verpflichtung ist das nicht.

Anders sieht die Sache auf der kantonalen Ebene aus. Dort dürfen Gerichte und Behörden keine Gesetze anwenden, die nicht verfassungskonform sind. Auch die Kantonsverfassung darf – anders als ein Bundesgesetz – nicht gegen die Bundesverfassung verstossen.

Ausserdem würde eine Enteignung mit einer mehrfach höheren Entschädigung den privaten Grundstückhandel übersteuern, schreibt der Regierungsrat. Er bezweifelt auch, dass eine dreifach höhere Entschädigung das Kulturland vor Enteignungen schütze.

Bei grossen Projekten, bei denen im öffentlichen Interesse Enteignungen nötig werden, seien die Gesamtkosten meist ohnehin so hoch, dass die Preise fürs enteignete Land nicht so sehr ins Gewicht fallen.

Dass Entschädigungen für Land den Kandertaler Grossrat umtreiben, liegt auf der Hand. Im Dorf Mitholz muss ein Teil der Bevölkerung wegziehen, damit die Armee ein altes, bei einer Explosion verschüttetes Munitionslager im Fels räumen kann. Im Gefahrenperimeter liegen Wohn- und Landwirtschaftsobjekte.

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