Verbraucherschützer und VW erreichen im Dieselskandal doch noch Vergleich

Das Wichtigste in Kürze
- Nach Verhandlungen unter Vermittlung von Oberlandesgericht Braunschweig .
VW und vzbv schlossen nach mehrtägigen Verhandlungen eine «umfassende Vereinbarung», wie das Oberlandesgericht (OLG) Braunschweig am Freitag mitteilte. Einzelheiten sollen um 13.00 Uhr auf einer Pressekonferenz bekanntgegeben werden.
VW hatte im September 2015 zugegeben, in weltweit elf Millionen Fahrzeugen eine illegale Software eingesetzt zu haben. Im Zusammenhang damit zahlte Volkswagen bereits mehr als 30 Milliarden Euro an Strafen und Entschädigungen, vor allem in den USA. In Deutschland stemmte sich der Autobauer bislang gegen Schadenersatzzahlungen an die insgesamt mehr als zwei Millionen betroffenen Kunden.
Der vzbv zog deshalb mit einer sogenannten Musterfeststellungsklage stellvertretend für diejenigen Dieselbesitzer vor Gericht, die sich der Klage über ein entsprechendes Register beim Bundesamt für Justiz anschlossen - zum Auftakt der Verhandlung vor dem Braunschweiger OLG mehr als 460.000. Darunter fielen allerdings teils auch doppelte Anmeldungen oder Eintragungen von Verbrauchern, die kein vom Dieselskandal betroffenes Fahrzeug der VW-Marken gekauft hatten.
Vor dem OLG wollten die Verbraucherschützer feststellen lassen, dass VW die Betroffenen «vorsätzlich und sittenwidrig» geschädigt hat. Volkswagen argumentierte hingegen, dass die Kunden keinen Schaden erlitten hätten, da alle Fahrzeuge nach Software-Updates im Verkehr genutzt werden könnten und sicher seien.
Nachdem das Verfahren in Braunschweig Ende September begonnen hatte, plädierte das Gericht schnell für Vergleichsverhandlungen zwischen den Parteien. Im Gesetz zur Musterfeststellungsklage ist diese Möglichkeit zur Streitbeilegung ausdrücklich vorgesehen.
Mitte Februar platzte ein Vergleich aber zunächst. Zwar bestand Einigkeit über eine Summe von 830 Millionen Euro, die der Autobauer den Kunden zahlen wollte. VW erklärte aber, die Vergleichsverhandlungen seien wegen «unangemessener» Anwaltsforderungen der Klägerseite gescheitert. Der vzbv wies dies zurück - vielmehr sei der Wolfsburger Konzern nicht dazu bereit gewesen, ein transparentes und für Verbraucher sicheres System der Abwicklung zu ermöglichen.
Während die Verbraucherschützer ankündigten, weiter vor Gericht kämpfen zu wollen, bot VW daraufhin den zur Musterklage angemeldeten Kunden auf eigene Faust dieselbe Summe an. Sie sollten so ab Ende März «ein auf sie zugeschnittenes Angebot für eine Einmalzahlung» erhalten - je nach Fahrzeug und Fahrzeugalter zwischen 1350 und 6257 Euro.
In der vergangenen Woche holte das Braunschweiger OLG den Autobauer und die Verbraucherschützer aber wieder an einen Tisch. Als Mediator führte OLG-Präsident Wolfgang Scheibel die Gespräche.
Die Musterfeststellungsklage war erst Ende 2018 als neues Klageinstrument eingeführt werden. Sie sollte, auch mit Blick auf den Dieselskandal, Verbraucher im Kräftemessen mit Konzernen stärken und verhindern, dass sie auf einklagbare Rechte verzichten - sei es, weil sie sich in juristischen Dingen nicht ausreichend bewandert fühlen oder sie das Risiko, den bürokratischen Aufwand oder die Kosten eines Prozesses auf eigene Faust scheuen.
VW hatte im September 2015 eingeräumt, bei bestimmten Dieselmotoren eine Software verbaut zu haben, die den Ausstoss von Stickoxid nur auf dem Prüfstand senkt, nicht aber im Strassenverkehr. Im Dieselskandal laufen derzeit vor verschiedenen Gerichten eine Reihe von Verfahren gegen Volkswagen. Am 5. Mai befasst sich der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe mit den Schadensersatzansprüchen eines Autokäufers gegen den Autobauer. Bislang gibt es in dem Skandal kein höchstrichterliches Grundsatzurteil, dem sich die übrigen Gerichte orientieren können.