EU-Kommission erhitzt mit Fusionsverbot für Siemens und Alstom die Gemüter

Das Wichtigste in Kürze
- Wettbewerbskommissarin Vestager: Bahnfusion hätte zu höheren Preisen geführt.
Deutsche und französische Politiker kritisierten die Entscheidung der Brüsseler Behörde am Mittwoch scharf und forderten eine Überarbeitung des europäischen Wettbewerbsrechts. Das deutsch-französische Industrieprojekt war in beiden Ländern von höchster Stelle unterstützt worden.
Die Entscheidung schwäche Europa und diene «den wirtschaftlichen und industriellen Interessen Chinas», urteilte der französische Wirtschaftsminister Bruno Le Maire. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) sagte, er respektiere die Entscheidung, jedoch müsse nun über «Änderungen am europäischen Wettbewerbsrecht» nachgedacht werden. Er kündigte eine gemeinsame Initiative mit Le Maire zu diesem Thema an.
Auch der industriepolitische Sprecher der Grünen im Europaparlament, Reinhard Bütikofer, erklärte, es werde «eine der wichtigsten Aufgaben des nächsten Europaparlaments und der nächsten EU-Kommission sein, Europas Wettbewerbsrecht zu erneuern». Der Spitzenkandidat der europäischen Konservativen für die Europawahl, Manfred Weber (CSU), nannte das Fusionsverbot einen «Fehler».
Alstom erklärte das Fusionsvorhaben nach der Entscheidung für beendet. Das Veto der EU-Kommission sei ein «klarer Rückschlag für die Industrie in Europa». Siemens-Chef Joe Kaeser, der die Brüsseler Wettbewerbshüter zuvor als «rückwärtsgerichteteTechnokraten» bezeichnet hatte, forderte am Mittwoch «dringende Strukturreformen». Der Schutz der hiesieger Kundeninteressen dürfe nicht verhindert, dass sich Europa auf Augenhöhe mit führenden Nationen wie China und den USA befindet.
Der deutsche Siemens-Konzern und die französische Alstom-Gruppe hatten vor über einem Jahr vereinbart, ihre Sparten für Eisenbahntechnik zusammenzulegen. Die Regierungen in Paris und Berlin versprachen sich davon die Kreation einer Art «Airbus der Schiene», um der wachsenden Konkurrenz aus China zu begegnen.
Dem schob die Kommission als oberste Wettbewerbshüterin der EU am Mittwoch einen Riegel vor. Die Unternehmen seien nicht bereit gewesen, «die erheblichen wettbewerbsrechtlichen Bedenken der Kommission auszuräumen», begründete Wettbewerbskommissarin Margrethe Vestager die Entscheidung.
«Ohne ausreichende Ausgleichsmassnahmen» hätte die Fusion zu höheren Preisen für Signalsysteme und Hochgeschwindigkeitszügen geführt, fügte sie hinzu. Mit jeweils rund acht Milliarden Euro Jahresumsatz in den Zugsparten sind die beiden Konzerne bereits mit Abstand die grössten europäischen Eisenbahnbauer.
Zur Sorge um wachsenden Einfluss chinesischer Akteure sagte Vestager: «Kein chinesischer Hersteller hat jemals an Signaltechniksystemen in Europa mitgearbeitet oder einen Hochgeschwindigkeitszug ausserhalb von China verkauft.» Es sei nicht zu erwarten, dass chinesische Firmen in absehbarer Zeit auf den europäischen Markt drängen würden. Begrüsst wurde die Brüsseler Entscheidung vom kanadischen Bahntechnikhersteller Bombardier.
Die Wettbewerbsbehörden in Grossbritannien, den Niederlanden, Belgien und Spanien hatten sich entschieden hinter die dänische EU-Kommissarin gestellt. Auch Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker verteidigte die Wettbewerbspolitik seiner Behörde.
Die EU-Kommission hat seit 1989 ein Vetorecht bei grossen Fusionsvorhaben. Allerdings hat sie davon bisher nur selten Gebrauch gemacht. In fast dreissig Jahren wurden mehr als 6.000 Fusionen genehmigt und weniger als dreissig blockiert.