Viele Schweizer Unternehmen wechseln ihre Finanzchefs aufgrund der schwierigen Wirtschaftslage.
Nestlé
Unternehmen wie Zurich, Nestlé und Logitech besetzen CFO-Posten neu. (Archivbild) - sda - KEYSTONE/GAETAN BALLY

2024 haben auffallend viele Schweizer Unternehmen ihre Finanzchefs ausgewechselt. Sie reagieren damit auch auf die anspruchsvolle Wirtschaftslage. Diese erfordert laut Experten einen neuen Typ von CFO.

Rund jedes vierte an der Börse SIX kotierte Unternehmen hat in diesem Jahr einen neuen Finanzchef eingestellt, wie eine Datenauswertung der Nachrichtenagentur AWP zeigt. Insgesamt haben Unternehmen bisher 50 CFO-Wechsel bekannt gegeben. Das sind rund die Hälfte mehr als im Vorjahr und der mit Abstand höchste Wert der letzten fünf Jahre.

Häufige CFO-Wechsel als Symptom übergreifender Entwicklung

Unter den Abgängen befinden sich auch einige langjährige Finanzchefs. Rund 14 Jahre im Amt waren etwa Alois Schärli bei der Berner Kantonalbank und Laurent Vaucher bei der Villars Holding. Auf zehn Jahre Amtszeit und mehr kamen auch Matthias Gantner (Sensirion), Thomas Kaul (Intershop), George Quinn (Zurich Insurance), Ivo Wechsler (Huber+Suhner) und Marc Ziwica (DocMorris).

Auch unter den SMI-Firmen gab es einige Wechsel. Neben Zurich besetzten auch Nestlé, Givaudan, Swiss Life und Logitech den CFO-Posten neu. Die vielen Abgänge wundern Dirk Schäfer, Dozent für Finanzielle Führung an der Universität St. Gallen, nicht. «Die häufigen CFO-Wechsel sind das Symptom einer übergreifenden Entwicklung», sagte er im Gespräch mit AWP.

Je nach Situation ein unterschiedlicher Typ von CEO gefordert

Das aktuelle wirtschaftliche Umfeld mit multiplen Krisen erfordere einen «anderen Typus von Finanzchef». Dieser dürfe nicht nur verwalten, sondern müsse die Transformation in schwierigen Zeiten aktiv vorantreiben. Die letzten Jahre waren geprägt von zahlreichen Krisen: Angefangen bei der Corona-Pandemie, über Lieferkettenprobleme, die hohe Inflation, den starken Franken bis hin zur aktuell lahmenden Weltkonjunktur.

In diesen Zeiten würden viele Verwaltungsräte «über die Bücher gehen und die Führungskräfte infrage stellen», so Schäfer. Nach dem Motto: «Würde ich die gleiche Person heute noch einmal einstellen», falle die Entscheidung bei stark veränderten Rahmenbedingungen häufiger gegen den amtierenden Finanzchef.

Je nach Situation, in der sich ein Unternehmen befindet, sei ein unterschiedlicher Typ von CEO gefragt. In finanziell angeschlagenen Unternehmen ist laut Schäfer eher ein CFO der «alten Schule» nötig, der das «Geld zusammenhält und alle Kosten auf den Prüfstand stellt». Bei Unternehmen, die sich neu ausrichten müssen oder in einem zunehmenden Wettbewerb stehen, seien dagegen andere Fähigkeiten gefordert.

Digitaler Wandel kann Personalwechsel beschleunigen

Wichtig sei zudem die Zusammenarbeit zwischen Finanz- und Firmenchef. Während der CEO für die langfristigen Visionen und Ziele zuständig sei, müsse der Finanzchef schauen, ob und wie er diese Vorstellungen finanzieren könne. «Unternehmen sind nur dann langfristig erfolgreich, wenn CEO und CFO gut zusammenspielen», sagte er. Dabei könnten sie sich durchaus reiben, müssten aber immer das gleiche Ziel verfolgen.

Schliesslich könnte auch der digitale Wandel die Personalwechsel beschleunigen. So wird es gemäss Schäfer wichtiger, viel mit den Mitarbeitenden zu kommunizieren, um sie auf dem Weg der Transformation mitzunehmen. Ein Finanzchef, der nur per E-Mail mit seinen Untergebenen kommuniziere, sei wohl nicht die richtige Wahl.

Risikomanagement hat höheren Stellenwert erhalten

Den Wandel in der Rolle eines CFOs bestätigte jüngst auch Axpo-Finanzchef Harald Gauck in einem Interview mit AWP. Seiner Erfahrung nach ist die «Rolle des CFO wichtiger und die Aufgaben breiter geworden». Zudem seinen mehr «Kommunikation und mehr Krisenmanagement hinzugekommen».

Auch das das Risikomanagement habe seinen Ausführungen zufolge einen höheren Stellenwert erhalten. Auch im Selbstverständnis der CFOs ist laut Schäfer mittel- bis langfristig ein Wandel zu beobachten. Mit dem Generationenwechsel würden klassische Karrieremodelle eher in den Hintergrund treten.

Bereits heute sei vereinzelt zu beobachten, dass sich CFOs mit Mitte 50 freiwillig aus dem operativen Geschäft zurückzögen. Der Aufstieg vom CFO zum CEO sei in vielen Karriereplänen – anders als bei früheren Generationen – nicht mehr zwingend ein Ziel, so Schäfer.

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