Tage der Milch sind gezählt – was tun mit den Kühen?

Das Wichtigste in Kürze
- Milch gilt als gesund und nachhaltig – doch das Image fängt langsam an zu bröckeln.
- Der Milchkonsum sinkt, während der Markt für pflanzliche Milchalternativen stark wächst.
- Es könnte sein, dass der Milchkonsum auch in der Zukunft kontinuierlich abnimmt.
- Kolumnistin Mirjam Walser hat eine Idee, was dann aus den Milchkühen werden könnte.
Milch – für viele aus dem Alltag kaum wegzudenken. Gesund, voller Nährstoffe und natürlich von glücklichen Kühen, die fröhlich auf Schweizer Wiesen grasen.
In den Bergen, wo sie Wanderer mit ihrem Glockengebimmel erfreuen – und durch ihr gemütliches Weiden ganz nebenbei noch die Landschaft pflegen.
Klingt perfekt, oder? Da kann man sich guten Gewissens ein Glas frische Milch gönnen.
Trinkst du Milch?
Nur: Warum sinkt der Milchkonsum trotzdem kontinuierlich? In den letzten 20 Jahren ist der Pro-Kopf-Konsum von Milch um etwa 47 Prozent gesunken.
Und das, obwohl Milch weiterhin als unverzichtbares Lebensmittel für unsere Gesundheit und die Haltung von Milchkühen als nachhaltigen Beitrag zur Pflege unserer Landschaft beworben wird.
Aber Konsumenten zu täuschen, ist heute nicht mehr so einfach.
Viel Gülle statt Nachhaltigkeit
Studien zur Auswirkung von unserem Milchkonsum zeigen ein ganz anderes Bild: Die Klimaauswirkungen der Milchproduktion sind deutlich gravierender als das bisschen Bergwiesenpflege.
Kühe stossen beim Wiederkäuen – anders gesagt: beim Rülpsen – Methangas aus, und das ist um ein Vielfaches schädlicher für das Klima als CO2.

Und apropos Alpenidylle: Nur ein kleiner Teil der Kühe verbringt tatsächlich den Sommer auf der Alp.
In der Schweiz leben etwa eine halbe Million Milchkühe – die meisten davon im Flachland. Fast die Hälfte ist im Stall angebunden und kann sich nicht regelmässig frei in der Herde bewegen.
Da hilft auch das «strengste Tierschutzgesetz der Welt», wie gerne behauptet wird, nicht weiter.
Und weil Kühe im Stall nicht von Gras und Liebe leben, wird fleissig zugefüttert mit Mais, Soja und Getreide. Alles Pflanzen, die statt im Kuhmagen auch direkt auf unseren Tellern landen könnten. Direkt konsumiert, wäre das nicht nur effizienter, sondern auch nachhaltiger.
Also: Viel Gerede über Nachhaltigkeit, viel Gülle in der Realität – wortwörtlich.
Und wer jetzt denkt: Wenigstens ist Milch gut für die Gesundheit – na ja, auch da wird’s schwierig.
Milch gut für die Knochen?
Wir haben schon im Kindergarten gelernt, dass Milch die Knochen stärkt. Aber seit 2001 dürfen Schweizer Milchproduzenten diese Behauptung nicht mehr offiziell verbreiten.
Denn die gesundheitlichen Vorteile sind umstritten. Wissenschaftliche Studien zeigen zudem: In Ländern mit geringem Milchkonsum, etwa in China, tritt Osteoporose – wogegen Milch ja eigentlich vorbeugen soll – deutlich seltener auf.

Also: umweltschädlich, oft tierunfreundlich, gesundheitlich fragwürdig. Kein Wunder, dass Milch kräftig beworben werden muss – und zwar mit Millionenbeträgen aus unseren Steuergeldern.
Doch trotz aller Werbetrommel: Der Milchkonsum sinkt weiter. Dafür greifen immer mehr Menschen zu pflanzlichen Alternativen.
Doppelt so teuer, aber trotzdem beliebt: vegane Milch
Hafer-, Soja-, Lupinen- und Nussmilch verkaufen sich immer besser, obwohl sie oft doppelt so teuer sind wie Kuhmilch. Der Preis scheint nicht abzuschrecken – im Gegenteil: Der Trend zur Pflanzenmilch legt weiter zu.
Ein Trend, der sich kaum mehr aufhalten lassen wird. Punkto Gesundheit und Nachhaltigkeit schneiden viele pflanzliche Alternativen ohnehin besser ab.

Natürlich wird das nicht von heute auf morgen gehen. Konsumgewohnheiten ändern sich nur langsam, selbst wenn alle Informationen auf dem Tisch liegen.
Und die Milchlobby wird sich mit Händen und Füssen wehren. Schliesslich geht es um viel: Tradition, Arbeitsplätze, Geld, ganze Industrien.
Aber es wäre auch eine Chance: Statt Futtermittel auf wertvollen Ackerflächen anzubauen, könnten wir mehr Lupinen, Hafer oder andere heimische Pflanzen kultivieren – und daraus richtig gute Pflanzenmilch machen.
Und was wird dann aus den Alpwiesen, die ohne Kühe bald verwildern würden?
Milchkühe ab ins Alpen-Altersheim
Gras fressen und Landschaft pflegen können Kühe auch, wenn sie nicht mehr für die Milchproduktion herhalten müssen – und das bis ins hohe Alter.

Statt die Tiere, wie in der Milchwirtschaft üblich, schon nach sechs Jahren zu schlachten, könnten sie in die Pension auf die Bergwiese geschickt werden.
Dort würden sie tun, was sie am besten können: Gras fressen – bis sie ihr natürliches Lebensende mit etwa 20 Jahren erreichen.
Mit diesen rüstigen Rentnerinnen würden die Alpwiesen garantiert weiterhin schön anzusehen sein.
Zur Person: Mirjam Walser (38) schreibt auf Nau.ch regelmässig zum Thema Veganismus und Tierrechte. Als Coach und Gründerin der Vegan Business School ist sie Expertin für veganes Unternehmertum und vegane Innovationen.