Unser Kolumnist schätzt die Schweizer Mentalität in der Krise und bedankt sich bei seinen MitbürgerInnen für die Besonnenheit und Zurückhaltung.
Reda El Arbi
Gastautor bei Nau.ch: Reda El Arbi. - Nau.ch

Das Wichtigste in Kürze

  • Nau.ch-Kolumnist Reda El Arbi erklärt die linksgrünversiffte Welt.
  • Reda El Arbi erlangte als Blogger und Journalist Bekanntheit.
  • Bis 2011 war er Chefredaktor des Satiremagazins «Hauptstadt».
  • Er lebt mit Frau und zwei Hunden in Stein am Rhein SH.
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Knapp über 500 Nasen haben sich gestern schweizweit wieder unter dem Banner der «Corona-Rebellen» versammelt, gerade genug, um zwei normale Zürcher Trams zu füllen. In den dazugehörigen Chatgruppen sind ca. 2000 Leute angemeldet, dahinter vielleicht nochmals ein paar allgemein frustrierte Trötzler. Das ist keine Volksbewegung, das ist herzig, wenn man daneben die 8 Millionen Menschen anschaut, die in der Schweiz leben. Die Covidioten sind zwar laut, verwirrt oder bösartig, aber sie sind eine extrem krasse Minderheit. Und anstatt unseren Blick dauernd auf die paar Querulanten zu richten, schauen wir doch lieber mal den Rest der SchweizerInnen an.

99.9 Prozent der Schweizer Bevölkerung haben sich an die Lockdown-Vorgaben gehalten, sind ohne Drohung, ohne Ausgehverbot, wie in anderen europäischen Ländern verfügt, zu Hause geblieben. Einfach aus Vernunft und Gemeinsinn.

Coronavirus
Eine Frau demonstriert gestern Samstag gegen die Corona-Einschränkungen in Bern. - Keystone

Eine Kollegin aus Österreich staunte, als der Bundesrat den Schweizern empfahl, über Ostern nicht ins Tessin zu gehen, und die Polizei diejenigen, die trotzdem fuhren, anhielt, um mit ihnen zu plaudern. Sie meinte, ohne Verbot hätte das in Österreich nie geklappt. In der Schweiz verzichteten über 90 Prozent der Leute auf ihre Osterferien im Südkanton. Das entspricht unserer Mentalität. Dabei sind wir alles andere als folgsam, wir sind einsichtig und bereit, auch mal für die Allgemeinheit auf etwas zu verzichten.

Wer jetzt angesichts der Massnahmen «Diktatur» schreit, und sich um unsere Grundrechte sorgt, hat die Schweizer Mentalität nicht verstanden: Linke würden sagen, wir seien solidarisch, Rechte benutzen eher das Wort «Gemeinsinn», aber wir verstehen uns als Gemeinschaft. Und genau so, als Gemeinschaft, haben wir die erste Phase der Corona-Krise überstanden. Mit Rücksichtnahme und einer staatlichen Infrastruktur, die versucht, die sozialen und wirtschaftlichen Schäden der Pandemie aufzufangen.

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Menschen demonstrieren gegen den Corona-Lockdown auf dem Sechseläutenplatz in Zürich. - Keystone

Natürlich sind wir nicht perfekt. Wir nörgeln, wir jammern, wir streiten, wir beschweren uns, aber Jammern, Streiten und Nörgeln ist bei uns Volkssport, das gehört dazu. Wir sind nachlässig, verpennt, aber die wenigsten sind asozial oder bösartig. Wir halten uns an die Regeln, die wir uns selbst gegeben haben. Der Staat ist bei uns keine ominöse Macht, die uns unterdrückt, sondern 1:1 das Resultat der letzten Wahlen.

Wir kümmern uns umeinander. Die Hilfsangebote für Gefährdete und Risikogruppen überstiegen bei weitem die Nachfrage. Man musste beinahe Lösli ziehen, um für einen Nachbarn einkaufen zu dürfen. Wir bemühen uns, Abstand zu halten, auch wenn wirs beim Poschten ab und zu vergessen. Wir finden Masken blöd, aber wir tragen sie, wo sie vorgeschrieben sind. Wir nehmen uns zurück, um Schwächere zu schützen.

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Eine Frau demonstriert in Basel gegen den Corona-Lockdown. - Keystone

Dieser Art des Gemeinsinns verdanken wir, dass die Pandemie uns bisher nicht ganz so hart getroffen hat, wie unsere Nachbarn in Frankreich oder Italien. Auch wenn die Parteien von links bis rechts zum Glück schon wieder ihre Streitereien führen, in der Krise halten sie zusammen und bringen unsere Bevölkerung durch die schwierigste Zeit. Konsens und Vernunft sind in der DNA der SchweizerInnen, genauso wie reklamieren und jammern.

Aber wenns drauf ankommt, stehen wir Krisen gemeinsam durch. Und dafür haben Sie, meine lieben MitschweizerInnen, ein herzliches Danke verdient, gegenseitig, über alle politischen Differenzen hinweg.

Danke!

Zum Autor: Reda El Arbi ist 50-jährig, kommt aus Zürich und zog vor einigen Jahren nach Stein am Rhein. Grosse Bekanntheit erlangte er mit seinem Zürcher «Stadtblog» für den «Tagesanzeiger». El Arbi schreibt unverblümt, hat zu allem eine Meinung und polarisiert auch gern. Er ist verheiratet und lebt mit Frau und Hund in Stein am Rhein SH.

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