Die Notfallabteilungen der Spitäler sind oft überlastet. «Dabei gibt es mehr Apotheken in unserem Land als Migros- und Coop-Filialen», schreibt Patrick Hässig.
Patrick Hässig Schweizer Armee
Patrick Hässig sitzt seit 2023 für die GLP im Nationalrat. Er schreibt auf Nau.ch regelmässig Kolumnen. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Die Notfallstation ist eine der teuersten Einrichtungen in unserem Gesundheitswesen.
  • Sie sollte nur bei schweren Verletzungen und Erkrankungen aufgesucht werden.
  • GLP-Nationalrat Patrick Hässig erklärt die Idee einer Fünfzig-Franken-Gebühr.
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Wer in der Schweiz den Notfall eines Spitals beansprucht, soll in der Schlussabrechnung pauschal fünfzig Franken zum Selbstbehalt hinzuzahlen müssen. Dies ist der Wille der Gesundheitskommission des Nationalrates. Ich begrüsse diese Entscheidung.

Der Entschluss der Kommission ist nicht überall richtig verstanden worden. Die Kommunikation über die geplante Einführung einer Notfallgebühr zeigt mir, dass es noch Erklärungsbedarf gibt.

Die Notfallabteilungen der Schweizer Spitäler sind zwischenzeitlich überlastet.

Zu viele Menschen suchen medizinische Hilfe an einem Ort, der schnell für Personen mit schweren Verletzungen oder Erkrankungen zur Verfügung stehen soll.

Mehr Apotheken als Migros- und Coop-Filialen zusammen

Viele Beschwerden und Symptome lassen sich via Ärztefon, Apotheke, Permanence oder Hausarztpraxis abklären und eine adäquate Behandlungsmethode finden.

Apotheke Dr. Portmann
Immer gleich in den Notfall zu rennen, macht wenig Sinn. Wie wäre es mit einer Apotheke? - zvg

Auch die Vorstellung, nur auf dem Notfall sei qualifiziertes Personal zu finden, ist im Bereich der Märchen zu Hause.

Rennst du zu schnell in den Notfall?

Gerade die Apothekerinnen und Apotheker sind top ausgebildete Personen, welche in ihren Apotheken Beratungen und gewisse Erstversorgungen durchführen können. Und es gibt mehr Apotheken in unserem Land als Migros- und Coop-Filialen zusammen.

Ein Notfallbesuch ist nie gratis

Eine Notfallstation ist eine der komplexesten und teuersten Einrichtungen in unserem Gesundheitswesen. Sie ist darauf ausgelegt, Leben zu retten. Und Verletzte zu versorgen.

Gratis ist ein Notfallbesuch nie. Die Kosten sind nach oben offen. Je schwerer die Verletzungen oder die Krankheit ist. Und je nach Art und Weise, wie Sie in den Notfall gelangen, fallen die vorgesehenen 50 Franken nicht an.

Hast du einen Hausarzt?

Wann bezahlen und wann nicht

Zur Erklärung ein fiktives Beispiel: Franziska ist leidenschaftliche Fussballerin und spielt an einem Samstag auf der Sportanlage mit ihrem Team einen Match.

Es kommt zu einem Tackling. Franziska erleidet trotz Schienbeinschonern eine Verletzung am Bein. Eine Teamkollegin bringt Franziska zügig in die Permanence.

Nach einer Erstversorgung wird sie in den Notfall überwiesen, um dort vom Fachpersonal versorgt und gepflegt zu werden. Für Franziska fallen die fünfzig Franken Gebühren nicht an. Denn: Sie wurde per Überweisung eingeliefert. Zudem werden die Kosten des Sportunfalles über die Unfallversicherung abgerechnet.

Ein zweites Beispiel: Diego ist ein leidenschaftlicher Wanderer. Er ist am selben Wochenende auf einer Wanderung unterwegs.

Nach einem erholsamen Tag in der Natur bemerkt Diego gegen 20 Uhr abends, dass zwei Zecken mit ihm nach Hause gekommen sind. Festgesaugt in der Achselhöhle.

Da sich Diego nicht sicher ist, ob er die Zecken vollständig entfernt hat, entschliesst er sich zu einem Besuch auf dem Notfall. Auch um abzuklären, ob sich die Zeckenbisse entzündet haben.

Für Diego fallen die fünfzig Franken Notfallgebühr an. Zudem wird seine Franchise bei der Krankenkasse mit der Abrechnung der Notfallstation für die Zecken-Untersuchung belastet.

Das sind zwei unterschiedliche Geschichten, frei erfunden – und doch für Notfallpersonal Alltag.

Spital
Die Notfallstationen eines Spitals. - Keystone

Wann in den Notfall – und wann nicht?

Mit der Notfallgebühr von fünfzig Franken sollen die Menschen sensibilisiert werden auf die Frage, ob der Notfall für ihr medizinisches Problem die richtige Adresse ist oder nicht.

Damit die Menschen, die den Notfall wirklich brauchen, auch adäquat betreut werden können.

Ausnahmen gibt es immer

Ein Notfallbesuch verursacht höhere Kosten, als beim Hausarzt oder in der Permanence. Je nach Vorfall können die Notfallkosten in die Tausenden gehen.

Natürlich sieht die Gesundheitskommission des Nationalrates in ihrem Vorschlag auch Ausnahmen vor: so zum Beispiel für Schwangere und Kinder. Und für Patientinnen und Patienten, die wie erwähnt via Arzt, Apotheke oder Ärztefon überwiesen werden.

Es braucht Daten, Erfahrungen und Resultate

Die Kantone sollen nun die Möglichkeit bekommen, maximal fünfzig Franken für Notfallbesuche ansetzen zu können.

Eine Massnahme, die sich beispielsweise die Gesundheitsdirektion des Kantons Zürich wünscht.

Soll eine Notfallgebühr von fünfzig Franken eingeführt werden?

Sollte diese eingeführt werden, erhalten wir Daten, Erfahrungen und Resultate einer solchen Gebühr.

Nur so können wir entscheiden, ob und was es bewirkt. Seit acht Jahren diskutiert man im Bundeshaus bereits über ein solches Vorgehen. Es ist jetzt Zeit, dies endlich auszuprobieren.

Zur Person: Patrick Hässig (46) sitzt seit 2023 für die GLP im Nationalrat. Er ist Mitglied der Kommission für Soziale Sicherheit und Gesundheit (SGK) des Nationalrates. Er ist wohnhaft in der Stadt Zürich und arbeitet als diplomierter Pflegefachmann HF auf einem Kindernotfall. Für Nau.ch schreibt er regelmässig Kolumnen.

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