Konzern-Initiative: VWL-Professor Reto Föllmi warnt vor Folgen

Das Wichtigste in Kürze
- Am 29. November stimmt die Schweiz über die Konzern-Initiative ab.
- VWL-Professor Föllmi von der HSG warnt vor einem Ja.
- Internationale Wertschöpfungsketten seien wichtig für die Armutsbekämpfung.
Schwellenländer profitieren überproportional stark von der Einbindung in internationale Wertschöpfungsketten. Diese Wertschöpfungsketten machen fast 50 Prozent des Welthandels aus.
Internationaler Handel trägt wesentlich zur Armutsreduktion bei
Durch die Globalisierung und die dadurch geschaffenen Arbeitsplätze in Schwellenländern konnten viele Menschen aus der Armut befreit werden. Gemäss der Weltbank, eine der wichtigsten internationalen Institutionen in der globalen Armutsbekämpfung, führt eine einprozentige Erhöhung der Teilnahme an globalen Wertschöpfungsketten zu einem Anstieg des Bruttoinlandprodukts pro Kopf von über einem Prozent.

In Äthiopien zum Beispiel sind Firmen, die Teil globaler Wertschöpfungsketten sind, im Schnitt doppelt so produktiv wie Firmen, die im Bereich des Standardhandels operieren. Es kommt zu einer Transformation der Wirtschaftsstruktur von weniger produktiven in produktivere Branchen.
Die Beschäftigung erhöht sich. Mit der Corona-Krise und dem damit einhergehenden Rückgang des internationalen Handels dürfte die Armut weltweit erstmals seit 20 Jahren wieder steigen. Die Weltbank rechnet mit bis zu 150 Millionen mehr Personen in Armut.
Die KVI gefährdet Investitionen von Schweizer Unternehmen in Entwicklungsländer
Der internationale Handel und Investitionen sind also zentral für die Bekämpfung von Armut. Es stellt sich nun die Frage, welchen Einfluss eine Annahme der Konzernverantwortungsinitiative haben würde.
Die Kombination von Haftung für wirtschaftlich kontrollierte Unternehmen und der Sorgfaltsprüfungspflicht für sämtliche Geschäftsbeziehungen dürfte ein ernstzunehmendes Haftungsrisiko insbesondere für kleine Schweizer Unternehmen bedeuten. Die Wirksamkeit der Initiative ist jedoch zweifelhaft.
Grosskonzerne können noch eher mit ihren Rechtsabteilungen reagieren, aber für mittlere Unternehmen stellen solche Rechtsrisiken eine erhebliche Markteintrittsbarriere dar. Die neuen Haftungsrisiken werden Schweizer Unternehmen zu einer Neubeurteilung ihrer Investitionstätigkeiten veranlassen.

Das eine oder andere Unternehmen kann sich gezwungen fühlen, sich aus einem Entwicklungsland zurückzuziehen. Schweizer Firmen sind mit einem Kapitalbestand von über 200 Milliarden Franken überdurchschnittlich stark in Entwicklungsländern engagiert und beschäftigen nur schon direkt rund 660'000 Menschen in diesen Staaten.
Langfristig und nachhaltig lösen wir die Probleme vor Ort nur durch wirtschaftliche Entwicklung und partnerschaftliche Zusammenarbeit.
Wirtschaftliche Entwicklung statt Konjunkturpaket für Anwaltskanzleien
Wohlhabende Länder wie die Schweiz haben die finanziellen Ressourcen, um das Bedürfnis nach Umweltschutz zu befriedigen. Ökologische Anliegen gewinnen aber erst dann an Bedeutung, wenn Grundbedürfnisse wie Nahrung, Gesundheit und Wohnen befriedigt sind.
Typischerweise nehmen in einer ersten Wachstumsphase eines Landes die Umweltprobleme zu, bevor sich die Gesellschaft um die Verringerungen der negativen Effekte des Wachstums kümmert.

Die ökonomische Entwicklung verbessert auf längere Frist oftmals die institutionellen Rahmenbedingungen. Zudem ermöglicht der internationale Handel auch Wissens- und Technologietransfers.
Gerade in einer aufgrund der Corona-Krise sowieso schon schwierigen Zeit errichtet die Initiative Handelsbarrieren, die besonders für kleinere und mittlere Firmen schwer zu überwinden sind.
Ein Konjunkturpaket für Anwaltskanzleien löst die wirtschaftlichen Probleme der Welt sicher nicht.