Nach dem stundenlangen Strom-Kollaps in Spanien drängt sich die Frage auf: Könnte so etwas auch in der Schweiz passieren? Experten ordnen ein.
Blackout Stromausfall
Nach dem Blackout auf der iberischen Halbinsel stellt sich die Frage: Ist das auch in der Schweiz möglich? - keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • In Spanien und Portugal floss am Montag neun Stunden lang kein Strom mehr.
  • Ein Szenario, das auch in der Schweiz möglich, wenn auch unwahrscheinlich wäre.
  • Für einen grossflächigen Stromausfall brauche es aber eine Verkettung mehrerer Faktoren.
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Am Montag hat ein Strom-Blackout für mehrere Stunden die ganze iberische Halbinsel lahmgelegt: Der öffentliche Verkehr in Spanien und Portugal kam komplett zum Erliegen. Flughäfen standen still, in Restaurants konnte nicht mehr gekocht werden.

Die Menschen sassen sprichwörtlich im Dunkeln. Selbst das Telefonnetz und das Internet brachen zusammen. Die Kommunikation kam genau so zum Erliegen wie Bankomaten und digitale Zahlungssysteme.

Stellt sich die Frage: Kann so etwas auch in der Schweiz passieren?

Schweiz weniger risikoanfällig

Christian Franck, Professor für Hochspannungstechnik an der ETH Zürich, meint dazu auf Anfrage von Nau.ch: «Ein landesweiter Netzausfall ist sehr unwahrscheinlich.»

Aber wie bei allen technischen Systemen bleibe natürlich immer ein kleines Restrisiko.

Spanien Stromausfall Barcelona
In Barcelona und auf der gesamten iberischen Halbinsel kam es am Montag zu einem stundenlangen Strom-Blackout.
Stromausfall iberische Halbinsel
Spanien und Portugal versanken für etwa neun Stunden in Dunkelheit.
Barcelona Bus Stromausfall
Metros, Züge und Trams kamen zum Erliegen. Die Menschen mussten sich mit Bussen vorwärtsbewegen.

Ebenfalls für möglich hält ein solches Szenario die Eidgenössische Elektrizitätskommission. Jedoch sei das Schweizer Stromnetz «dank seiner dichten Vermaschung und der geografischen Lage der Schweiz» weniger risikoanfällig.

Gerne hätte Nau.ch deshalb auch mit dem Bundesamt für Energie gesprochen. Dieses verweist aber auf Swissgrid, da das Unternehmen als «Übertragungsnetzbetreiberin der Schweiz» für diese Themen zuständig sei.

Landesweiter Ausfall «praktisch ausgeschlossen»

Ebenfalls auf die Swissgrid verweist das Energieunternehmen BKW, da Swissgrid für die übergeordnete Übertragungsebene zuständig sei.

Die BKW selbst ist für einen Teil der Strom-Verteilnetze in der Schweiz zuständig. Diese Netze versorgen lokale Gebiete mit Strom. Sie sind also sozusagen für die Feinverteilung verantwortlich und der grossen Übertragungsebene untergeordnet.

Die BKW erklärt: «Auf Ebene des Verteilnetzes allein ist ein landesweiter Stromausfall praktisch ausgeschlossen.»

Ein Grund dafür ist laut dem Energieunternehmen, dass diese Verteilnetze eben nur lokale Gebiete versorgen. Heisst: Fällt einmal eines aus, ist die Wahrscheinlichkeit gross, dass zehn andere rundherum noch funktionieren. Dann besteht die Möglichkeit, diese anzuzapfen.

Diese Option würde nur dann wegfallen, wenn auch diejenigen rundherum nicht mehr funktionieren. Dieses Szenario ist also höchst unwahrscheinlich.

Ein landesweiter Ausfall würde auf ein Problem auf der übergeordneten Übertragungsebene hindeuten. Das war auch in Spanien der Fall.

Ein weiteres mögliches Szenario wäre laut der BKW eine massive Störung der Stromproduktion.

Schweiz «auf Blackout-Szenario vorbereitet»

Auf der Verteilnetzebene, die die BKW selber betreut, «gibt es gelegentlich kleine bis mittlere Störungen». Dies zum Beispiel durch einen Sturm oder Baggerarbeiten. Solche Störungen würden jedoch meist nur eine kurze Zeit andauern.

«Die BKW als Verteilnetzbetreiberin ist darauf vorbereitet, lokale Störungen schnell zu beheben. Wir verfügen über klar definierte Notfallprozesse, 24-Stunden-Bereitschaftsteams und moderne Netzleittechnik.»

Hast du schon einmal einen Stromausfall erlebt?

Zusammen ermögliche das eine rasche Wiederherstellung des Normalbetriebs.

Ergänzend erklärt das Energieunternehmen Axpo: «Die Netzbetreiber der Schweiz sind auf ein Blackout-Szenario vorbereitet. Es gibt festgelegte Prozesse, die regelmässig gemeinsam mit den anderen Schweizer Netzbetreibern beübt werden.»

Keine Auswirkungen auf die Schweiz

«Der Stromausfall in Spanien hatte keinen Einfluss auf das Schweizer Übertragungsnetz», schreibt die Swissgrid zum Blackout in Spanien.

Zwar habe man in der Schweiz Frequenzschwankungen gemessen. Aber: «Die Versorgungssicherheit war jederzeit gewährleistet.»

Man habe den Netzbetreibern in den betroffenen Ländern Hilfe angeboten, so Swissgrid weiter.

«Konkret konnte Swissgrid helfen, die Schwankungen im französischen Stromnetz auszugleichen, die aufgrund des Ausfalls entstanden sind.»

Grossflächiger Stromausfall «durch Verkettung mehrerer Faktoren»

Zu einem möglichen Schweizer Blackout meint die Netzbetreiberin: «Ein flächendeckender, stundenlanger Stromausfall ist in der Schweiz ein sehr unwahrscheinliches Szenario.»

Blackout Stromausfall
Ein Blackout wie in Spanien und Portugal (hier ein Bild aus Malaga) ist auch in der Schweiz möglich.
Blackout Stromausfall
Jedoch sei ein stundenlanger Ausfall wie auf der iberischen Halbinsel ein unwahrscheinliches Szenario, so Swissgrid.
Stromnetz Schweiz
Grund dafür: Das Schweizer Stromnetz gilt im europäischen Vergleich als stabil.

Grund dafür: «Die Schweiz verfügt über eines der stabilsten Stromnetze Europas. Dies dank einer robusten Netzinfrastruktur, umfassender Überwachungs- und Schutzsysteme sowie einer engen Vernetzung mit dem europäischen Verbundnetz.»

Einzelne Ereignisse würden jedoch in der Regel zuverlässig durch die Schutzmechanismen des Systems aufgefangen.

Stromnetz wird rund um die Uhr überwacht

Zudem werde das Netz rund um die Uhr und sieben Tage in der Woche von Spezialistinnen und Spezialisten überwacht.

Ihre Aufgabe: «Es muss immer so viel Strom ins Netz fliessen, wie konsumiert wird. Verbrauch und Produktion müssen also im Gleichgewicht sein.»

Kleinere Abweichungen kämen immer wieder vor. Diese auszugleichen, indem man Regelenergie einsetze, sei das tägliche Geschäft eines Netzbetreibers.

Stromnetz Schweiz
Das Schweizer Stromnetz wird rund um die Uhr überwacht.
Stromnetz Schweiz
Prognosen für grössere Ereignisse seien schwierig zu treffen, so die Swissgrid.
Stromnetz Schweiz
Einzelne Ereignisse können jedoch durch Schutzmechanismen aufgefangen werden.

«Grössere Abweichungen sind selten», so die Swissgrid weiter. «Wie bei allen ausserordentlichen Situationen, beispielsweise beim aktuellen Fall, kann man über den Verlauf solcher Ereignisse keine Prognosen machen.»

Doch was wäre, wenn in der Schweiz tatsächlich eine Blackout-Situation eintreffen würde? Wäre das Land für eine solche Situation gewappnet?

Kritische Infrastruktur gut aufgestellt

Leonard Schliesser, Forscher für den Schutz kritischer Infrastrukturen an der ETH Zürich, erklärt gegenüber Radio SRF 1: Die Bevölkerung könne sich mit individueller Notfallvorsorge auf ein solches Ereignis vorbereiten.

Mit einem Grundstock zu Hause sei schon viel geholfen, so Schliesser. Dazu gehöre beispielsweise ein Vorrat an Wasser oder Bargeld.

Wärst du auf einen massiven Stromausfall vorbereitet?

Kritische Infrastrukturen wie der Staat, Spitäler, Banken oder Kommunikationsdienste seien gut aufgestellt.

«Da hat sich viel getan im Rahmen der möglichen Energiemangellage im Zusammenhang mit dem Ukraine-Krieg», so Schliesser.

Nach zwei Tagen wird ein Blackout gefährlich

Ein Blackout wäre erstmals relativ unproblematisch. Gefährlich werde es nach 48 oder 72 Stunden. Dies, wenn der Notvorrat in den städtischen Haushalten zu Ende gehe, erklärt Schliesser.

Die Notstromaggregate in kritischen Infrastrukturen gingen dann langsam aus und müssten nachgefüllt werden.

Auch wenn der Strom dann später wieder da sei, gebe es eine gewisse Wiederherstellungszeit, bis wieder Normalzustand herrsche.

Fazit: Ein Blackout wie in Spanien ist auch in der Schweiz möglich – allerdings ist das Szenario unwahrscheinlich.

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