Sonderrechte wollen nicht alle Homo- und Bisexuelle haben

Das Wichtigste in Kürze
- Nicht jeder Homo- und Bisexuelle will «Sonderrechte».
- Gegner fürchten sich vor Zensur.
- Über das erweiterte Antirassismus-Gesetz wird am 9. Februar 2020 abgestimmt.
Das erweiterte Anti-Rassismus-Gesetz, das am 9. Februar 2020 an die Urne kommt, soll Homo- und Bisexuelle vor Hass und Diskriminierung schützen.
«Akzeptanz in der Bevölkerung lässt sich nur durch Normalität erreichen.» Dies sagte SVP-Politiker und bekennender Homosexueller Michael Frauchiger heute Montag vor den Bundeshausmedien. Frauchiger ist Co-Präsident des LGBT-Komitees «Sonderrechte Nein», das die Erweiterung des Anti-Rassismus-Gesetzes bekämpft.

Normalisierung bedeutet für ihn auch, keine Sonderrechte einzufordern. Das würde Lesben, Schwule, Bi-, Trans- und Intersexuelle (LGBTI) stigmatisieren und als schwach darstellen. «Doch wir sind nicht schwach, wir müssen keinen Sonderschutz vom Staat bekommen.»
«Nein zu diesem Zensurgesetz»
Nach Ansicht von Frauchiger genügen die heutigen Strafbestimmungen. Die einzige sogenannte Gesetzeslücke bestehe darin, dass nicht gegen allgemein gehaltene, für diskriminierend befundene Äusserungen vorgegangen werden könne. Zudem könnten Vereinigungen keine Anzeige erstatten. Die Schliessung dieser Lücke sei jedoch heikel.
Die Gegner des erweiterten Anti-Rassismus-Gesetzes warnen insbesondere vor Zensur. Es handle sich um ein Misstrauensvotum gegenüber dem Volk. Das Komitee «Nein zu diesem Zensurgesetz» schreibt diese Mitteilung. Dahinter stehen die EDU und die Junge SVP.
«Es muss ein legitimer Standpunkt bleiben, sich kritisch mit Homo- und Bisexualität auseinanderzusetzen», findet EDU-Präsident Hans Moser.

Mit der Ehe für alle oder dem Adoptionsrecht für homosexuelle Paare stünden hoch umstrittene politische Diskussionen an. Moser sieht die Gefahr, dass sich Bürger und Politiker gar nicht erst an diesen Debatten beteilige. Damit sie kein «Homophobie-Etikett» angehängt bekommen. «Und wer sich zu äussern wagt, überlegt sich jeden Satz zweimal.»
Allein die Androhung einer Strafanzeige führe zu Selbstzensur und Verunsicherung. Auch die Thurgauer SVP-Nationalrätin Verena Herzog ist dagegen. Der Kern der Meinungsfreiheit umfasse das Recht, Dinge zu sagen, die anderen nicht passten. «Auch ein Schwulenwitz muss erlaubt bleiben.»
Gewalttätige Übergriffe werden immer mehr
Das Parlament hat sich im Dezember 2018 für die Ausweitung des Anti-Rassismus-Gesetzes ausgesprochen. Hintergrund ist die verbreitete Verharmlosung von Homophobie und die Häufung verbaler, gewalttätiger Übergriffe, gegen die die Betroffenen keine Handhabe haben.
2016 hatte das Schweizerische Kompetenzzentrum für Menschenrechte dem Bundesrat empfohlen, das Anti-Rassismus-Gesetz auf die sexuelle Orientierung auszudehnen. Die Gesetzesänderung, gegen die rechte Kreise das Referendum ergriffen haben, geht auf eine parlamentarische Initiative aus dem Nationalrat zurück.
Die Gegner fürchten nicht nur eine Einschränkung der Meinungsäusserung, sondern auch der Handels- und Gewerbefreiheit. Künftig sollen nämlich auch keine allgemein angebotenen Leistungen aufgrund der sexuellen Orientierung verweigert werden dürfen.
Ein Bäcker zum Beispiel, der es aus Gewissensgründen ablehne, eine Hochzeitstorte für gleichgeschlechtliche Paare zu backen, müsse mit Klagen rechnen. «Das gleiche droht Hoteliers, die keine Doppelzimmer an Homosexuelle vermieten wollen, sagte die Berner EDU-Grossrätin Katharina Baumann. Auch Werbeunternehmen, die Aufträge aus der LGBTI-Community ablehnten müssen büssen, warnen Die Gegner mit Verweis auf Erfahrungen in anderen Ländern.

Für Frauchiger, der selbst davon betroffen sein könnte, ist das kein Problem. Solche Leistungsverweigerungen seien absolut legitim, sagte er. Betroffene könnten sich jederzeit an andere Anbieter wenden.