Rassismusstrafnorm erfüllt laut Studie ihren Zweck, aber...

Das Wichtigste in Kürze
- Eine Studie hat die Rassismusstrafnorm und ihre Effekte unter die Lupe genommen.
- Grundsätzlich habe sich die Strafnorm bewährt.
- Es gibt aber offene Fragen.
Offene Fragen bestehen demnach bei rassistischen Symbolen, der Verantwortung von Internetprovidern oder bei der Beurteilung von Völkermorden.
Juristin Vera Leimgruber analysierte sämtliche Urteile und Strafentscheide der verschiedenen Rechtsinstanzen vom 1. Januar 1995, Datum des Inkrafttretens der Strafnorm, bis zum 31. Dezember 2019. Die Eidgenössische Kommission gegen Rassismus publizierte am Dienstag die Ergebnisse.
Grundsätzlich Zweck erfüllt
Grundsätzlich erfüllt die Strafnorm ihren Zweck, wie es in einer Mitteilung heisst. Sie schränke die Meinungsäusserungsfreiheit nicht übermässig ein, im Gegenteil: In den vergangenen Jahren sei dem Grundprinzip mehr Gewicht beigemesssen worden. Die Analyse zeige aber auch, dass das Recht auf Meinungsäusserungsfreiheit nicht unbegrenzt sei und in keiner Weise rassistische, die Menschenwürde herabsetzende Äusserungen zulasse.

Das zeigen laut der Studienautorin auch verschiedene Urteile zu Hassreden im Internet, die in den vergangenen Jahren signifikant zugenommen haben. «Die meisten Online-Plattformen und Websites werden übereinstimmend als öffentlicher Raum betrachtet. Dies gilt auch für private Gruppen auf Facebook oder Whatsapp, deren Mitglieder in keiner engen persönlichen Beziehung zueinander stehen.»
Die Untersuchung zeigt aber auch, wo noch offene Fragen bestehen. So bleibe etwa zu klären, inwiefern Internetprovider zur Verantwortung gezogen werden könnten oder wie mit gelöschten Nachrichten und «Likes» zu gewissen Nachrichten umzugehen sei. Noch nicht geklärt sei auch, wie Einträge, die zwar im Ausland verfasst wurden, von der Schweiz aus aber zugänglich sind, strafrechtlich verfolgt werden könnten.
Grauzone Symbolik
Grauzonen gibt es gemäss der Studie ferner beim Umgang mit rassistischen Symbolen. Das Parlament hat bislang auf ein totales Verbot rassistischer Symbole verzichtet, insbesondere wegen der Schwierigkeit einer Definition der zu verbietenden Symbole.

Aktuell sind Symbole nur strafbar, wenn damit für eine rassistische Ideologie geworben wird. Auch in diesen Fällen sei es oft schwierig, eine Grenze zu ziehen zwischen einem strafbaren Verbreiten einer rassistischen Ideologie und einem straflosen Bekenntnis zu derselben Ideologie. «Die politische Debatte zu dieser Frage muss weiterhin verfolgt werden», heisst es in der Studie.
Die Autorin der Untersuchung kommt weiter zum Schluss, dass sich das Bundesgericht bei der Beurteilung von Leugnung, Rechtfertigung oder Verharmlosung von Völkermorden immer mehr zurückhalte. Das sei an sich kein Problem. Allerdings werfe die unterschiedliche Praxis der Staaten bei der Anerkennung von Völkermorden Fragen auf.
Das Internationale Übereinkommen zur Beseitigung jeder Form von Rassendiskriminierung trat in der Schweiz Ende 1994 in Kraft. Es verpflichtet die Vertragsstaaten, eine Politik zu verfolgen, die sich umfassend gegen jede Form von Rassismus richtet und zu diesem Zweck konkrete politische und gesetzliche Massnahmen zu ergreifen.
Das Stimmvolk stimmte dieser Strafnorm an der Urne zu und erweiterte das Gesetz vor Jahresfrist um die Diskriminierung aufgrund der sexuellen Orientierung.