Parteien streiten über Gutachten in Luzerner Missbrauchs-Prozess

Das Wichtigste in Kürze
- Ein Mann soll seine Stieftochter und deren Freundin sexuell missbraucht haben.
- Der 49-Jährige wurde zu über fünf Jahren Haft und einer zehnjährigen Therapie verurteilt.
- Die Massnahmen sorgen bei den Parteien aus unterschiedlichen Gründen für Unmut.
Weil er seine Stieftochter und deren Freundin sexuell missbraucht haben soll, stand ein 49-Jähriger am Mittwoch vor dem Luzerner Kantonsgericht. Die Vorinstanz hatte ihn zu fünf Jahren Gefängnis verurteilt. Die Berufungsverhandlung drehte sich um psychiatrische Massnahmen und um Gutachten.
Das Luzerner Kriminalgericht hatte den Beschuldigten 2019 unter anderem wegen Vergewaltigung und sexueller Handlung mit Kindern verurteilt. Die Haftstrafe beläuft sich auf fünf Jahre und zwei Monate. Das Gericht ordnete eine ambulante psychotherapeutisch Behandlung und zehn Jahre Landesverweis für den Deutschen an.
Gutachterin spricht von «schwieriger Beurteilung»
Dagegen legte der Beschuldigte Berufung ein. Die Vorwürfe bestritt er und verlangte einen Freispruch. Auch die Staatsanwaltschaft ging in Berufung. Sie hatte sieben Jahre Gefängnis und eine stationäre Massnahme gefordert, weil der Mann laut Gutachten pädophil sei.
Das Kantonsgericht verlangte ein zweites Gutachten. Vor Gericht sprach die Gutachterin von einer «schwierigen Beurteilung», weil sie sich nur auf die Akten stützen konnte. Der Beschuldigte habe ihr gegenüber keinen Einblick in seine sexuellen Wünsche gegeben.

Das Gutachten basiert auf den ihm vorgeworfenen Taten. Der Beschuldigte selber sagte denn auch, er könne sich nicht damit identifizieren. «Ich weiss, dass ich nichts verbrochen habe.» Die genannte psychische Erkrankung treffe bei ihm nicht zu, es sei «Blödsinn».
Die Gutachterin kam zum Schluss, dass der Mann unter einer Hebephilie leide. Er fühle sich vom pubertären Körperschema angezogen. Er könne aber auch in einer legalen sexuellen Beziehung Befriedigung finden. Es liege eine mittelschwere Störung vor.
Die Gutachterin empfahl «eher eine stationäre Therapie», weil man bei nicht geständigen Tätern mit einer ambulante Massnahme nirgendwo hinkomme. Es sei aber ein Grenzfall, da der Mann sozial sowie beruflich keine Defizite habe.
Parteien streiten über Behandlungsmassnahmen
Der Verteidiger lehnte eine therapeutische Massnahme ab. Er sprach von einer «Verdachtsdiagnose». Sie sei nicht nachvollziehbar begründet. Überdies liege keine schwere Störung vor, was Grundvoraussetzung für eine Massnahme wäre.
Die Staatsanwältin dagegen sagte: «Es ist an der Zeit, dem Beschuldigten den Spiegel vorzuhalten und ihn der geeigneten Therapie zuzuführen.» Laut Gutachten sei eine stationäre Massnahme das zielführende und richtige Mittel.
Der Beschuldigte sitze seit über drei Jahren untherapiert in Haft. Es bleibe nicht mehr viel Zeit für eine psychologische Behandlung. Der Beschuldigte benötige die Strukturen eines Massnahmenzentrums, und seine Familie brauche die nötige Distanz zu ihm. Das Urteil wird zu einem späteren Zeitpunkt schriftlich eröffnet.