Obergericht ZH spricht 21-Jährigen des Tötungsversuchs schuldig

Das Wichtigste in Kürze
- Das Zürcher Obergericht hat einen 21-Jährigen des Tötungsversuchs schuldig gesprochen.
- 2020 hat er auf dem Zürcher Strichplatz eine Polizistin angefahren und schwer verletzt.
- Der Mann wurde zu 14 Jahren Freiheitsentzug verurteilt.
Das Zürcher Obergericht hat am Montag den 21-Jährigen, der im Februar 2020 auf dem Zürcher Strichplatz eine Polizistin angefahren und schwer verletzt hat, unter anderem der versuchten vorsätzlichen Tötung schuldig gesprochen. Es verurteilte ihn zu 14 Jahren Freiheitsentzug. Ausser der versuchten Tötung wurde der Mann der mehrfachen Gefährdung des Lebens schuldig gesprochen.
Dazu kamen einige Raserdelikte. Zusätzlich zur Freiheitsstrafe hat der Schweizer eine Busse von 1200 Franken zu bezahlen. Dem Opfer muss er eine Prozessentschädigung entrichten. Aus dem Verfahren kommen zudem hohe Kosten auf ihn zu.
Im Strafvollzug hat der Mann eine ambulante Behandlung seiner dissozialen Persönlichkeitsstörung und seiner Drogensucht zu absolvieren. Ohne Behandlung sei die Rückfallgefahr als hoch einzuschätzen, hatte der Gutachter festgehalten.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Es kann ans Bundesgericht weitergezogen werden. Bevor sie diesbezüglich entscheiden, müssen Anklage und Verteidigung aber die schriftliche Urteilsbegründung analysieren.
Obergericht verschärfte das erstinstanzliche Urteil
Mit seinem Urteil verschärfte das Obergericht das erstinstanzliche Urteil des Bezirksgerichts Zürich. Dieses hatte den jungen Mann im Januar 2022 wegen mehrfacher, teilweise versuchter schwerer Körperverletzung sowie weiterer Delikte zu elf Jahren und drei Monaten Freiheitsentzug und einer 800-Franken-Busse verurteilt.

Der Ankläger forderte eine Beurteilung der Haupttat als versuchten Mord und eine Freiheitsstrafe von 16 Jahren. Der Verteidiger plädierte auf sechs Jahre wegen fahrlässiger schwerer Körperverletzung und mehrfacher Gefährdung des Lebens. Die Schuldsprüche der ersten Instanz zu den Nebendelikten waren nicht angefochten.
Das Obergericht sah Eventualvorsatz zur Tötung der Polizistin. Das heisst, der Beschuldigte wollte deren Tod zwar nicht, nahm ihn aber in Kauf. Obwohl er die Frau gesehen habe, sei er auf sie zu gerast, sagte der vorsitzende Richter.
Auch den Aufprall habe er «zweifellos bemerkt» und sei dennoch weitergefahren. «Sie wollten fliehen, koste es, was es wolle».
Beschuldigter war bei der Tat 18 Jahre alt
Auf seiner Fahrt habe der Beschuldigte mehrere Personen «in äusserste Lebensgefahr» gebracht. Einen Mordversuch bezüglich der Polizistin erkannte das Obergericht im Unterschied zum Ankläger allerdings nicht. Es lägen weder besondere Skrupellosigkeit noch besondere Grausamkeit vor. Auch sei die Tat nicht geplant gewesen.
Eine Verminderung der Schuldfähigkeit erachtete das Gericht nicht als gegeben. Berücksichtigt habe man dagegen die vom Gutachter festgestellte dissoziale Persönlichkeitsstörung des Beschuldigten, dessen Cannabis-Abhängigkeit, eine ADHS-Erkrankung sowie seine Jugend – bei der Tat war er gerade mal 18 Jahre alt. Zudem habe er eine «gewisse Reue gezeigt».
Der Beschuldigte sei heute noch sehr jung, sagte der Richter. Auch wenn er noch längere Zeit im Strafvollzug bleiben müsse, sei er auch bei seiner Entlassung noch jung. Was dann aus ihm werde, sei nicht absehbar.
«Bisher haben Sie noch gar nichts Konstruktives auf die Beine gestellt». Er habe jetzt Zeit darüber nachzudenken, «wie Sie künftig mit Ihren Mitmenschen umgehen wollen».
Mit Vollgas zur Flucht
Zur Tat gekommen war es am 28. Februar 2020. Mit Freunden fuhr der Beschuldigte, der keinen Führerausweis hat, im entwendeten SUV seines Vaters zum Zürcher Strichplatz.

Dort können Sex-Arbeiterinnen in geschütztem Rahmen arbeiten. Verbotenerweise fotografierten die jungen Leute aus dem Auto heraus Prostituierte, weshalb die Polizei sie kontrollieren wollte.
Dem wollte sich der Beschuldigte entziehen. Ohne Rücksicht auf die umstehenden Personen manövrierte er den Wagen und wandte sich mit Vollgas zur Flucht. Dabei erfasste der SUV eine Polizistin. Sie schlug auf die Motorhaube auf, rutschte ab, ihr Bein verklemmte sich im vorderen Radkasten, sie wurde fast 16 Meter mitgeschleift.
Die Frau erlitt lebensgefährliche Verletzungen. Sie überlebte, hat gemäss ihrem Rechtsvertreter aber bis heute mit den Folgen des Vorfalls zu kämpfen.
Am Tag nach der Tat wurde der Vater einer heute sechsjährigen Tochter festgenommen. Seither sitzt er in Haft. Er befindet sich bereits im vorzeitigen Strafvollzug.