Ein deutscher Kinderarzt schlägt Alarm: Kinder spielen nicht mehr mit Spielzeug. Seine Erklärung: Mobile-Games löschen die Fantasietätigkeit weitgehend aus.
Kinder
Es ist ein Bild, das ein Kinderarzt oft in seiner Praxis antrifft: Kinder, die am Handy sind, statt mit den Spielsachen im Wartezimmer zu spielen. (Symbolbild) - pexels

Das Wichtigste in Kürze

  • Ein Kinderarzt stellt fest, dass Kids in seiner Praxis nicht mehr mit Spielsachen spielen.
  • Seine These: «Handy-Games löschen die Fantasietätigkeit weitgehend aus.»
  • Braucht es Massnahmen?
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Der deutsche Kinderarzt Oliver Dierssen hat etwas Beunruhigendes festgestellt: Seit Jahren hat er eine grosse Playmobil-Burg in seinem Therapie-Raum. Praktisch jedes Kind bis zwölf Jahre habe diese geliebt und damit gespielt.

Heute sei das anders.

«Wilde Rollenspiele finden selten statt. Ich werde nicht mehr beschossen und auch nicht mit dem Flugdrachen angeflogen», erzählt er.

Stattdessen treffe er viele Kids im Wartezimmer am Handy an.

Handy-Games «löschen» Fantasie

Für Dierssen ist klar, warum nicht mehr gespielt wird: Kinder, die oft mit elektronischen Medien spielen, sind einem «Dauerfeuer an Reizen» ausgesetzt.

Er schlägt drum Alarm: Diese Handy-Games würden die Fantasietätigkeit reduzieren oder gar «weitgehend auslöschen», schreibt er auf der Social-Media-Plattform Threads.

Playmobil
Diese Playmobil-Burg steht im Wartezimmer von Kinderarzt Oliver Dierssen.
Burg
Ihm fällt auf, dass die Kinder nicht mehr damit spielen.
Spiel
Seine These: Die Handyspiele lösche die Fantasietätigkeit der Kids aus.
Oliver
Er sagt: «Ich kann als Kinderpsychiater gar nicht deutlich genug davor warnen, Kinder über mehrere Stunden täglich Handyspiele spielen zu lassen.»
Kinder
Sein Eindruck: «Das Belohnungssystem wird durch ausgeklügelte Spielmechaniken völlig überrannt.» (Symbolbild)
Pro Juventute
Laut Pro Juventute haben ab der Oberstufe die meisten Kinder ein eigenes Handy. (Symbolbild)

«Ich kann als Kinderpsychiater gar nicht deutlich genug davor warnen, Kinder über mehrere Stunden täglich Handyspiele spielen zu lassen.»

Sein Eindruck: «Das Belohnungssystem wird durch ausgeklügelte Spielmechaniken völlig überrannt.»

Wäre also ein Mindestalter für den Handygebrauch angebracht, um die Kinder und ihre Fantasie zu schützen? Braucht es gar ein Handyverbot für kleine Kids?

Handys können auch sinnvoll sein

Dino Demarchi von der Kinder- und Jugendorganisation Pro Juventute erklärt gegenüber Nau.ch: «Ob es ein Mindestalter für die Handynutzung braucht, lässt sich pauschal nicht sagen.»

Für verschiedene Anwendung existiere ein solches bereits – «das kann Orientierung bieten». Aber: «Der Eintritt in die Oberstufe erweist sich häufig als geeigneter Zeitpunkt.»

Je nach Verwendungszweck seien Handys für Kids sogar durchaus sinnvoll. Zum Beispiel ein Prepaid-Telefon ohne Internetzugang für Kinder, die für Schule oder Freizeit längere Strecken alleine zurücklegen. «So kann es im Notfall die Eltern kontaktieren.»

Sollten kleine Kinder Handyverbot haben?

Und auch Handyspiele sind laut Pro Juventute «nicht per se problematisch». Es gebe durchaus solche, die einen pädagogischen Wert haben, die das Problemlösungsverhalten und die Kreativität fördern.

«Wichtig ist, dass die Spiele altersgerecht konzipiert sind.» Doch genau das ist oft nicht der Fall, kritisiert Pro Juventute.

Die Altersfreigabe bei einigen Mobile-Games sei je nach App-Store unterschiedlich und «sagt nichts über den pädagogischen Gehalt des Spiels aus». Hier gilt für Eltern also: Augen auf!

Eltern sollen Kinder beim Handy begleiten

Wichtig sind laut der Organisation weniger vermeintlich einfache Verbote, dafür viel Dialog und Abwechslung.

Will heissen: «Kinder brauchen vielfältige Erlebnisse, genug Bewegung und auch die richtige Balance bei der Mediennutzung.»

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Laut Pro Juventute brauchen Kinder «die richtige Balance bei der Mediennutzung». (Symbolbild) - pexels

Die Eltern sollten Kinder bei Themen wie Datenschutz und Privatsphäre sensibilisieren und sie begleiten. Also etwa «das Handyspiel mit ihm ausprobieren, um selbst einen Eindruck davon zu gewinnen».

Und: «Sieht ein Kind im Netz verstörende Inhalte, sollte man mit ihm darüber sprechen», sagt Demarchi.

Fragen: «Was hat das mit dir gemacht? Wie fühlst du dich?»

Es sei wichtig, die Medienkompetenz der Kleinen zu fördern und über die Medienerfahrungen der Kinder zu sprechen.

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