Grusel-Trend: Tiktok-Teenies bekämpfen Akne mit Heilungsnummern

«Ich litt zehn Jahre unter Akne», eröffnet eine Tiktokerin ihr Video. Dazu zeigt sie Bilder von sich mit unreiner Haut – soweit so gut. So manches Werbevideo für Hautprodukte startet nicht anders. Doch bald nimmt der Clip eine seltsame Wendung.

Die Nutzerin erklärt, eine eigene Hautcreme hergestellt und mit einem Code versehen zu haben: 37476694 – eine sogenannte «Heilungsnummer» des russischen Geistheilers Grigori Petrowitsch Grabowoi.

Diese Grabowoi-Nummern geistern überall auf der Video-Plattform herum. Andere Nutzer schreiben sich den Code direkt auf das Handgelenk und behaupten, nur wenige Stunden später reine Haut zu haben.

Wieder andere berichten in den Kommentaren, sie hätten es ebenfalls ausprobiert, würden es aber nicht empfehlen. Eine Nutzerin beschreibt: «Danach ist mir während ein paar Tagen ein Schatten gefolgt. Er stand immer hinter mir im Spiegel.»

Alles nur für die Klicks – oder steckt tatsächlich mehr dahinter? Spuk-Experte Walter von Lucadou von der parapsychologischen Beratungsstelle im deutschen Freiburg erklärt: «Es gibt immer wieder ähnliche Trends, die sich unter Jugendlichen ganz schnell verbreiten.»

Nur für Aufmerksamkeit werden die Videos wohl nicht gemacht – denn solche Experimente können tatsächlich funktionieren, wie der Experte weiss. «Das ist natürlich stark von der Psyche der Betroffenen abhängig, aber bei manchen Leuten treten die erstaunlichsten Placebo-Phänomene auf.» Von Lucadou betont, es wäre falsch, den Teenagern einzureden, dass sie sich die Wirkung nur einbilden.

Dass auch negative psychische Nebenwirkungen wie bei der Nutzerin mit dem Schatten auftreten, sei bei parapsychologischen Experimenten typisch. «Das hat damit zu tun, dass die Jugendlichen gleichzeitig Angst haben und stark interessiert sind. Man nimmt das Ganze sehr zwiespältig wahr, das stösst dann bestimmte Prozesse im Gehirn an.»

Interessanterweise seien von solchen Nebenwirkungen besonders Skeptiker betroffen: «Menschen, die glauben, ihnen könne so etwas nichts anhaben, kommen oft gar nicht damit klar. Hier werden besonders ambivalente Gefühle ausgelöst, was zu heftigeren Reaktionen führt.» Das hat auch mit gesellschaftlichen Normen zu tun.

In der deutschen und auch Schweizer Gesellschaft seien christliche Regeln – oft unbewusst – noch stark verankert. «In der Bibel gibt es eine klare Instruktion, man solle nicht zu Geistheilern gehen. Sonst wird man bestraft. Experimente wie das mit den Grabowoi-Nummern sind auch heute noch ein Tabuthema.»

Doch wie kommen die Teenies überhaupt auf die Idee, sich irgendwelche Codes auf ihre Hautcremes und Handgelenke zu schreiben?

Dahinter stecken Theorien des russischen Geistheilers Grigori Grabowoi, der von sich behauptet, er könne Tote auferstehen lassen und selbst Krankheiten wie Krebs und Aids heilen. Er wurde 2008 wegen Betrugs und anderen Anklagepunkten zu elf Jahren Haft verurteilt.

Es gibt zahlreiche Bücher über die «Lehre von Grabowoi», in denen solche Heilzahlen aufgeführt sind. Auf Pinterest, Tiktok und anderen Plattformen kursieren seit längerer Zeit zahlreiche Posts mit Auflistungen solcher Nummern. Die Versprechen der Codes reichen von der Akne-Heilung bis hin zur Genesung nach einem Herzstillstand.