GPK monieren Aufsichtsbericht über Zustände am Bundesstrafgericht

Das Wichtigste in Kürze
- Am Bundesstrafgericht herrschten laut Aufsichtsbericht untragbare Zustände.
- Die GPK des Parlaments kritisiert nun die Schlussfolgerungen der Verwaltungskommission.
Ein Aufsichtsbericht des Bundesgerichts hat Anfang April untragbare Zustände am Bundesstrafgericht bestätigt. Die Geschäftsprüfungskommissionen (GPK) des Parlaments monieren nun, dass verschiedene Schlussfolgerungen der Verwaltungskommission nicht nachvollziehbar seien.
Unter anderem folgerte diese, es gebe am Bundesstrafgericht keine Hinweise auf Fälle von sexuellen Übergriffen irgendwelcher Art – weder physische noch psychische sexuelle Belästigungen, insbesondere keine unter Ausnützung der hierarchischen Überordnung erfolgten Belästigungen oder Zudringlichkeiten.
Die GPK sehen das anders. Die ihnen vorliegenden Bilder von Plakaten von Gerichtspersonen, welche im Februar an den Wänden des Bundesstrafgerichts montiert worden waren und im Juni auch in der «Rundschau» des Schweizer Fernsehens gezeigt wurden, stützten die Aussage der Verwaltungskommission nicht, heisst es in der am Donnerstag publizierten Stellungnahme.
Die genannten Aussagen wie «gambetta» (Beinchen), «chiacchierona» (Plaudertasche), «generale» (Generalin) «salamicuttersine» (Salamischneiderin) und «presidentslover» (Geliebte des Präsidenten) könnten als sexistisch bezeichnet werden, schreibt die GPK. Sie seien eines Bundesstrafgerichts nicht würdig. Zudem sei für die GPK nicht nachvollziehbar, dass weitere Mobbing-Vorfälle im Aufsichtsbericht des Bundesgerichts keine Erwähnung gefunden hätten.
Nach Meinung der GPK können die Probleme zwischen einzelnen Sprachgruppen nicht durch Druck von aussen gelöst werden, wie sie schreiben. Vielmehr stehe das Bundesstrafgericht nun in der Pflicht, geeignete Massnahmen zur besseren Verständigung mit den italienischsprachigen Gerichtspersonen auf allen Stufen des Gerichts zu ergreifen. Die GPK empfehlen, eine Fachperson für Mobbing und Sexismus beizuziehen, welche die Situation in diesem Bereich analysiere und die Gerichtsleitung im weiteren Vorgehen berate.
Kritik äussern die GPK auch bezüglich Form des aufsichtsrechtlichen Verfahrens. So habe die Verwaltungskommission des Bundesgerichts das rechtliche Gehör verletzt, weil der Bericht veröffentlicht wurde, ohne vorher dem Bundesstrafgericht und den im Bericht namentlich erwähnten Direktbetroffenen Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.
Die Begründung des Bundesgerichtspräsidenten Ulrich Meyer, er habe mit der Publikation einem Informationsleck vorbeugen wollen, genüge nicht, schreiben die GPK. Behörden müssten mit der Gefahr leben, «dass (noch) vertrauliche Informationen an die Öffentlichkeit gelangen».
Besonders stossend sei die Missachtung des rechtlichen Gehörs gegenüber der Generalsekretärin des Bundesstrafgerichts, da der Aufsichtsbericht ihre Entlassung empfohlen hat. Diese Empfehlung erachten die GPK überdies als «unzulässigen Eingriff in die Organisationsautonomie des Bundesstrafgerichts». Der Verwaltungskommission des Bundesstrafgerichts kämen keinerlei Personalkompetenzen in Bezug auf das Personal des Bundesstrafgerichts zu.
Die GPK monieren weiter eine «verbale Verfehlung des die Aufsichtsuntersuchung leitenden Bundesgerichtspräsidenten». Die von ihm nicht bestrittenen abschätzigen und sexistischen Bemerkungen über eine Richterin des Bundesstrafgerichts, welche durch die «Rundschau» öffentlich gemacht wurden und für welche er sich öffentlich entschuldigte, seien für die GPK absolut unverständlich und inakzeptabel.
Laut den Geschäftsprüfungskommissionen wird Meyer bei diesem Geschäft ab sofort in den Ausstand treten, wie es in der Stellungnahme der GPK heisst. Auch langfristig brauche es Massnahmen. Die GPK prüften die heute geltenden Rechtsgrundlagen der bundesgerichtlichen Aufsicht.
Da das Bundesgericht im Aufsichtsbericht auch Auslegungen der Informationsrechte der Aufsichtskommissionen vorgenommen hatte, die im Widerspruch zur konstanten Praxis der GPK stehen, haben die GPK diese in Form einer oberaufsichtsrechtlichen Feststellung richtiggestellt.
Nachdem ein vertraulicher Vorentwurf der vorberatenden Subkommissionen der GPK unbefugt an die Medien gelangt war, haben die beiden GPK beschlossen, eine Strafanzeige gegen Unbekannt wegen Verletzung des Amts- und Kommissionsgeheimnisses einzureichen.