Heute beginnt die Rekrutenschule. Nau hat mit einem Veteranen über seine Zeit bei der Armee gesprochen. Der Berner Hansjürg Balmer trat 1954 in die RS ein.
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Hansjürg Balmer (obere Reihe, 3. von links) erzählt aus seiner Zeit in der Rekrutenschule anno 1954. - zVg

Das Wichtigste in Kürze

  • Heute begann für mehr als 12'000 junge Menschen die Rekrutenschule.
  • Nau hat mit einem Armee-Veteranen über seine Erlebnisse anno 1954 gesprochen.
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Für viele junge Männer – und einige Frauen – hat heute die Rekrutenschule begonnen. Sie werden gemeinsam lachen und fluchen.

Sie werden sich ärgern und schimpfen und womöglich die viel gerühmte Kameradschaft finden. Was genau sie in den kommenden 21 Wochen erwartet, wissen die jungen Leute allerdings noch nicht.

So erging es vor genau 65 Jahren auch Hansjürg Balmer-Niederhauser. Nau wollte von ihm wissen, wie die RS vor einem halben Jahrhundert ausgesehen hat.

Auf in die Rekrutenschule

Dass der junge Berner in die Rekrutenschule gehen würde, war klar – obwohl: ein Militarist sei er nie gewesen.

«Ich bin eingerückt, weil ich eben einfach musste. Aber ganz ehrlich: Wäre ich untauglich gewesen, hätte mich das auch unzufrieden gemacht. Denn damals hiess untauglich zu sein, wirklich ein medizinisches Problem zu haben. Und ich wollte ja nicht krank sein.»

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Der Berner Hansjürg Balmer trat 1954 in die Rekrutenschule ein. Hier ist er zusammen mit seinem Vater zu sehen, der ihn in der Kaserne Basel besuchte. - zVg

So schulterte Balmer seine Habe und lief aus dem Elternhaus in Mühleberg BE zum Bahnhof nach Gümmenen. Dort gab es gegen den Marschbefehl ein Billett zweiter Klasse.

«Die Armee bezahlte nur die Hinfahrt in die Kaserne. Und dann Monate später den Zug nach Hause, wenn die RS fertig war.»

Die Rekrutenschule als Abschied

Der Eintritt in die Rekrutenschule war damals für viele junge Männer ein erster grosser Abschied von Zuhause. «Wenn ich es mir leisten konnte, fuhr ich am Wochenende zurück nach Mühleberg.

Die Armee steuerte an das Zug-Billett jeweils die halbe Taxe bei. Aber nach Hause zu fahren, das war für uns Rekruten ein Luxus.»

Rekrutenschule Kaserne Basel
Die Kaserne Basel. Hier absolvierte Rekrut Balmer 1954 seine RS. - Keystone

Der Zug brachte den jungen Mann in die Ferne – nach Basel. «Ich war davor noch nie in Basel und musste mich darum erstmal bis zur Kaserne durchfragen», erinnert sich Balmer. Die Kaserne Basel ist heute übrigens ein Kulturlokal mit Theater, Restaurant, Bar und einer Moschee.

Die Planken-Ordnung

Während Balmer zum Sanitäter ausgebildet wurde, erlebte er die Strenge seiner Vorgesetzten. «1954 – das war noch nicht so wahnsinnig lange nach dem Krieg. Ich denke, da war alles noch ein bisschen sturer als heute.» Da gab es zum Beispiel die gefürchtete Planken-Ordnung.

USA Luftwaffe
Aufnahme einer North American P-51D «Mustang» N51EA, undatierte Aufnahme, die von der amerikanischen Luftwaffe als Jäger und Jagdbomber eingesetzt wurde. - Keystone

«Über jedem Bett hing eine Holzlatte für unsere Kleider und Habseligkeiten. Da musste immer alles ganz genau stimmen. Manchmal war ein Gnägi nicht richtig gefaltet, oder etwas lugte über den Plankenrand hinaus. Dann nahm der Kadi sein Bajonett und kippte die Holzlatte.»

Deren Besitzer mussten nochmals alles neu ordnen. «Weil bei mir die Planke nie runter gekommen war, bekam ich am Ende der RS sogar Kleiderbügel.»

Affen und Mottenstüpfer

Sind Menschen lange Zeit unter sich, beginnt sich auch ihre Sprache anzugleichen. «Wir hatten für viele Dinge Übernamen, die nur wir Rekruten und Soldaten verstanden.»

Wer in die Infanterie kam, den nannte man in Basel einen «Mottestüpfer». Den schweren Armee-Mantel nannten die Rekruten «dr Kaputt», den Tornister darunter «Dr Aff».

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Hansjürg Balmer (obere Reihe, 3. von links) erzählt aus seiner Zeit in der Rekrutenschule anno 1954. - zVg

Sauberkeit, Ordnung und absoluter Gehorsam waren Trumpf. «Wir haben noch Schuhe mit Nägeln gefasst. Wir kamen manchmal weit nach Mitternacht von einer Übung zurück, dann mussten die Schuhe sauber gemacht werden.»

Balmer lacht. Den Dreck zwischen den Nägeln hervor zu kriege, sei schrecklich gewesen. «Aber wer schneller alles rausgegrübelt hatte, konnte früher ins Bett.»

Rekrutenschule Kaserne Basel Tattoo
Einmal im Jahr, am Basler Tattoo, erinnert sich die Kaserne noch an ihren ehemaligen Zweck. - Keystone

Oder in den Ausgang. Dorthin ging der Berner allerdings nur selten. «Ich hätte gar nicht genug Geld dazu gehabt.» Stattdessen meldete er sich freiwillig zum Fahrradputzen.

«Bei einem Marsch durften ich dann, statt zu Fuss zu gehen, das Fahrrad nehmen. Wunderschön war das, mit dem Velo durchs Fricktal, statt zu Fuss los zu trotten.»

Besuch aus Bern

Einmal bekam Rekrut Balmer Besuch aus Bern. «Ich hatte mit meinem Vater abgemacht, wann wir uns wo treffen wollten. Ich war da – aber er nicht.»

Während der junge Mann am ausgemachten Treffpunkt wartete, fiel sein Blick auf ein Plakat. «Mustermesse Basel», stand da.

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Rekrut Balmer zusammen mit seinem Vater, der ihn aus Bern besuchen kam, in Basel. - zVg

«Das könnte dem Vater gefallen», dachte er – und machte sich auf die Suche. «Als ich bei der MuBa ankam, lief mein Vater mir direkt entgegen.» Balmer lacht erneut.

Eine Erfahrung sei sie gewesen, «diese Rekrutenschule». Und keine allzu schlechte noch dazu. Weitermachen habe er dennoch nicht gewollt.

Die Eltern hätten ihn daheim in der Schreinerei gebraucht. Dafür trat Balmer bald darauf in den Armeestab ein.

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