BAG prüft Anpassungen wegen Fehler in Contact-Tracing-Studie

Das Wichtigste in Kürze
- Das BAG überprüft, ob das Contact Tracing angepasst werden muss.
- Der Basis-Studie nach sind Infizierte bis zu 48 Stunden vor Krankheitsausbruch ansteckend.
- Die ETH spricht aber von fünf bis sechs Tagen.
Das Contact Tracing zur Eindämmung der Corona-Pandemie läuft weiterhin nicht einwandfrei. Neben bereits bekannten Problemen zeigt eine ETH-Analyse nun, dass das Contact Tracing auf einer fehlerhaften Studie basiert. Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) prüft allfällige Anpassungen.

Die Grundlage für das Contact Tracing in den meisten Ländern der Welt – auch in der Schweiz – bildet eine Studie der Universität Hongkong, nach der Infizierte bis zu 48 Stunden vor Krankheitsausbruch ansteckend sind.
Wird jemand positiv auf das Coronavirus getestet, wird daher nach Personen gesucht, mit denen der Infizierte bis zu zwei Tage vor Krankheitsbeginn Kontakt hatte.
Sechs statt nur zwei Tage
Doch diese Regel ist laut Forschern der ETH Zürich falsch. «Unsere Analysen zeigen, dass Infizierte das Virus bis zu fünf oder sechs Tage vor Ausbruch der Krankheit weitergeben können», sagte Peter Ashcroft, der den Fehler aufdeckte, der «NZZ am Sonntag». «Will man 90 Prozent der präsymptomatischen Ansteckungen abfangen, müsste man die Kontakte bis zu vier Tage zurückverfolgen.»

Die korrigierte Analyse wurde vergangenen Woche im «Swiss Medical Weekly» veröffentlicht und auch in der Originalpublikation wurde der Fehler inzwischen berichtigt. Beim (BAG) hat man die Korrektur zur Kenntnis genommen.
«Wir sind derzeit dabei, die Studie und ihre möglichen Auswirkungen auf das Contact Tracing zu evaluieren», teilte BAG-Sprecher Yann Hulmann am Sonntag auf Anfrage zum Bericht der «NZZ am Sonntag» mit. Die Studie werde Thema in den anstehenden Diskussionen mit der Science Taskforce sein. «Im Moment können wir daher noch nicht sagen, ob wir dem Vorschlag folgen werden.»
Bund fehlen wichtige Angaben
Bei der Nachverfolgung der Infektionsketten gibt es aber auch andere Schwierigkeiten: Eine Auswertung des BAG zeigt, dass nicht einmal für jede zweite Corona-Neuansteckung eine ärztliche Meldung vorliegt. Dem Bund fehlen so für die Hälfte der Infizierten wichtige Angaben über Risikofaktoren und Ansteckungsorte.
Hulmann bestätigte eine entsprechende Meldung der «NZZ am Sonntag». Nun nimmt der Bund die Kantone in die Pflicht: Er will die Kantonsärzte auffordern, alle seit dem 20. Juli ausstehenden sowie die künftigen klinischen Befunde einzufordern und dem BAG weiterzureichen.
Auch die Übertragung der Daten aus dem kantonalen Contact Tracing an den Bund bereitet gemäss einem Bericht des «Sonntagsblick» noch Schwierigkeiten. So arbeiteten viele Kantone mit «handgestrickten» IT-Systemen, und der Austausch über die Kantonsgrenzen hinweg sei fehleranfällig.
Neues IT-System für schnellere Auswertung der Daten
Hulmann verwies in diesem Zusammenhang auf die geplante Datenbank und ein neues IT-System von Bund und Kantonen. Diese erlaubten eine einfachere und schnellere Auswertung der Daten aus dem Contact Tracing, hatte Sang-Il Kim, Leiter Abteilung Digitale Transformation im BAG, Anfang Monat angekündigt.

Um die Koordination in der Corona-Krise zu verbessern, hat Bundespräsidentin Simonetta Sommaruga die Kantonsvertreter nächste Woche zu einem Treffen nach Bern eingeladen. Sommarugas Sprecherin Géraldine Eicher bestätigte einen entsprechenden Bericht der «Sonntagszeitung».
In der Schweiz und in Liechtenstein wurden dem BAG heute Sonntag innerhalb eines Tages 200 neue Coronavirus-Ansteckungen gemeldet. Am Samstag waren es 253 Fälle gewesen. Damit wurden dem BAG in dieser Woche insgesamt 1521 bestätigte Fälle gemeldet, fast 500 mehr als eine Woche zuvor. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung stieg um einen auf insgesamt 1716.