Seit Anfang Jahr ist Matthias Aebischer Berner Gemeinderat. Er wehrt sich gegen den Vorwurf, die Stadtregierung ticke inhaltlich (zu) ähnlich.
Matthias Aebischer
Matthias Aebischer im Gespräch mit dem BärnerBär. - Daniel Zaugg

BärnerBär: Matthias Aebischer, wir haben Ihnen im Voraus gar keine Fragen zugeschickt. Schütteln Sie die Antworten als ehemaliger Journalist sowieso locker aus dem Ärmel?

Matthias Aebischer: (lacht) Ob ich in die «Arena» gehe oder dem BärnerBär ein Interview gebe, ich überlege mir vor einem Interview immer, was das Gegenüber wohl wissen möchte. Lustigerweise werden dann tatsächlich meist genau jene Fragen gestellt. Ich trainiere diese Technik auch zuhause mit meiner Frau.

BärnerBär: Sie üben gemeinsam Interviews?

Aebischer: Ja, das ist interessant und auch amüsant. Sie findet, es sei schon wahnsinnig gäbig, sich auf diese Weise vorbereiten zu können.

BärnerBär: Sie sind nun ein halbes Jahr Berner Gemeinderat. Wie gelang Ihnen der Sprung von der nationalen auf die lokale Bühne?

Aebischer: Persönlich habe ich den Eindruck: sehr gut, wobei das ja andere zu beurteilen haben. Ich bin enorm happy in diesem Amt, obschon ich nach 14 Jahren Nationalrat keinen Plan hatte, was mich erwartet. Dieser Job ist ein Glück, das darf man ruhig sagen.

Bist du zufrieden mit dem Berner Gemeinderat Matthias Aebischer?

BärnerBär: Die Stimmung im Gemeinderat sei hervorragend, so heisst es.

Aebischer: Ich bin auf unser Gremium durchaus ein wenig stolz, ja. Wir hören einander zu und versuchen uns gegenseitig zu verstehen, wenn wir anderer Meinung sind. Unterliegt ein Mitglied in einer Diskussion, wird das akzeptiert. Es kam seit Anfang Jahr zudem noch nie jemand zu spät an eine Sitzung. Das sagt auch etwas aus.

BärnerBär: Insgesamt tickt die Stadtregierung, von Melanie Mettler mal abgesehen, politisch sehr ähnlich. Finden da überhaupt Debatten statt?

Aebischer: Wir politisieren insgesamt in einem engen Bereich. Bei der Diskussion über Kitas ist die politische Konstellation eine andere als bei einer über Kultur zum Beispiel. Es gibt also nicht wie vermutet immer ein Vier gegen Eins.

Matthias Aebischer
Gemeinderat Matthias Aebischer. - Daniel Zaugg

BärnerBär: Wo haben Sie als Verkehrsdirektor in einem halben Jahr bereits Duftmarken setzen können?

Aebischer: Ich bin nicht hierhergekommen, um bloss Duftmarken zu setzen (schmunzelt). Meine beiden Vorgängerinnen Ursula Wyss und Marieke Kruit haben eine Politik verfolgt, die ich gerne weiterziehen möchte, zum Beispiel ÖV, Velo und Fussverkehr fördern. Manche Pendenzen müssen nun angepackt werden, gleichzeitig halte ich Ankündigungs-Exekutivmitglieder, die viel versprechen und dann nach vier Jahren kaum Erfolge vorzuweisen haben, für einigermassen peinlich. Ich will an meinen Taten gemessen werden.

BärnerBär: Zu den angesprochenen Pendenzen gehört unter anderem die Entsorgung, Stichwort: Containerpflicht und Abfallsack-Trennsystem.

Aebischer: Absolut. Der Stadtrat hat uns den Auftrag erteilt, die beiden Themen ausein­anderzunehmen, weil zu lange auf die Farbsäcke fokussiert wurde und dabei völlig vergessen ging, dass die Idee nur funktioniert, wenn vor jedem Haus ein Container steht, was in Bern auf die Schnelle nicht so einfach möglich ist.

BärnerBär: Hauptsächlich aus Platzgründen?

Aebischer: Nicht nur, in Bern existieren Vorschriften für Vorgärten, die es in anderen europäischen Städten, welche das Containersystem längst eingeführt haben, so nicht gibt. Deshalb dauert hier alles ein wenig länger. Mein Ziel ist trotzdem klar: Ich will in zehn, vielleicht schon in fünf Jahren, keine blauen Ghüdersäcke mehr in Bern sehen. Auf dem Weg dorthin werden wir die Leute beim Aufstellen der Container unterstützen. Wir möchten niemanden überfordern. Nicht zuletzt geht es um die Gesundheit der Ghüder-Mitarbeitenden. Ich kenne kaum jemanden, der zehn Jahre beladen und sich noch nie verletzt hat. Am schlimmsten sind Ghüdersäcke an Gartenzäunen oder durchnässte Zeitungsbündel.

BärnerBär: Was ist mit den Farbsäcken? Werden die irgendwann wirklich eingeführt?

Aebischer: Wir besprechen das zunächst intern im Gemeinderat, danach entscheidet der Stadtrat. Es wird sich in dieser Sache rasch etwas bewegen.

BärnerBär: «Das Gewerbe muss in Bern bleiben!», das steht gar auf Ihrer Website. Stehen Sie mit den lokalen Wirtschaftstreibenden in Kontakt?

Aebischer: Die von Ihnen angesprochenen Personen sassen gerade gestern an diesem Tisch. Und nicht das erste Mal, sondern bereits vor drei Monaten. Ich tausche mich mit Vertretern des Gewerbe-, Hauseigentümerverbandes und des HIV regelmässig aus. Auch BernCity ist bei diesen Gesprächen mit dabei. Das Gewerbe mit an Bord haben zu wollen, darf kein Lippenbekenntnis sein.

BärnerBär: Nennen Sie uns ein Beispiel.

Aebischer: Gewerbetreibende dürfen seit kurzem auf der Monbijoubrücke die Busspur benutzen und in der Innenstadt gewisse Abkürzungen nehmen. Wenn ich von Gewerbe rede, dann meine ich Malerinnen und Schreiner, jene also, die arbeiten. Manche verstehen unter Gewerbe hingegen, mit dem Auto in die Altstadt zu fahren, um dort Brot zu kaufen oder ein Glas Wein zu trinken. Ich bin in diesem Thema sehr trennscharf.

BärnerBär: Sie haben sich in einem Interview einst als «Parkplatzabbau-Spezialist» bezeichnet. Sind Sie ebenfalls ein Autohasser wie Ursula Wyss?

Aebischer (lacht): Überhaupt nicht. Ich wuchs in Schwarzenburg auf dem Land auf, mein Heimatort ist Guggisberg. In gewissen Weilern ist ein Auto zwingend. Bloss: Wenn nur noch Schichtarbeitende oder solche, die alte oder beeinträchtigte Menschen in die Stadt zum Arzt bringen, in der Stadt parkieren, wäre das Problem gelöst. Nein, ich bin weit weg davon, ein Autohasser zu sein.

BärnerBär: Dort allerdings, wo Parkplätze abgebaut werden, ist das für die Anwohnenden teilweise extrem unangenehm.

Aebischer: Sehen Sie: Es existiert eine sogenannte Parkplatzquote, die gerichtlich gestützt wird. Sie besagt, dass auf 120 Parkkarten 100 Parkplätze kommen dürfen, also eine Quote von 1,2. In der Stadt Bern liegt die Quote in sämtlichen Quartieren unter 1,2, teilweise gar unter 1. Es hat also zum Teil mehr Parkplätze als Parkkarten.

Bauen wir wegen elektrischer Feuerwehr- oder Ghüderautos Parkplätze ab, achten wir darauf, die Quote 1,2 nicht zu überschreiten. Werden in einer Strasse 20 Parkplätze abgebaut, kann das selbstverständlich zu Unmut führen. Unlösbar ist die Lage aber nirgends.

Ich kenne übrigens die Quote von fast jedem Quartier auswendig, deshalb meine Bezeichnung «Parkplatzabbau-Spezialist». Ich habe zudem da und dort auch neue Parkplätze geschaffen, wenn die Verteilung zu einseitig war. Etwas möchte ich zu diesem Thema übrigens gerne noch festhalten.

BärnerBär: Bitte.

Aebischer: Zahlreiche Menschen, die in Bern eine Parkplatzkarte besitzen, verfügen zuhause über einen privaten Park- oder Garagenplatz. Weil die Karte jedoch so günstig ist, werden die Garagen an andere vermietet, die morgens zur Arbeit kommen, dort parkieren und abends wieder wegfahren. Das will ich als Verkehrsdirektor verhindern.

BärnerBär: Zum Schluss: Sie haben Ihr Amt als OK-Präsident des GP Bern abgegeben.

Aebischer: Als Präsident musste ich aus Sicherheitsgründen stets vor Ort verfügbar sein. Jetzt konnte ich den GP zum ersten Mal seit 14 Jahren wieder selber laufen, zusammen mit meiner Frau.

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Ein Läufer: Matthias Aebischer. - keystone

BärnerBär: Wie lautete Ihre Zeit?

Aebischer: Wir haben es ruhig angehen lassen und zusammen geplaudert. Das war sehr schön. Am Schluss waren wir bei rund 1 Stunde 35 Minuten. Das ist etwa eine halbe Stunde langsamer als zu meinen besten Zeiten.

BärnerBär: Sie sollten wieder häufiger trainieren – oder alleine starten.

Aebischer: Ich werde immer mit ihr rennen. Und meine Bestzeit muss ich mit 57 auch nicht mehr toppen (lacht).

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