Der Austausch zwischen Minderheiten und gesellschaftlich Privilegierteren baut Vorurteile ab. Jedoch wird dadurch auch die soziale Ungleichheit verdeckt.
Homo Schweiz Abstimmung
Abstimmung in der Schweiz über den Diskriminierungsschutz für Homo- und Bisexuelle. - sda - Keystone/MANUEL LOPEZ

Das Wichtigste in Kürze

  • Eine Studie zeigt: Austausch baut Vorurteile ab, verdeckt jedoch soziale Ungleichheiten.
  • Deshalb sollen auch Benachteiligungen offen diskutiert werden, nicht nur Gemeinsamkeiten.
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Wenn Angehörige von Minderheiten viele Berührungspunkte mit gesellschaftlich Privilegierten haben, setzen sie sich weniger für die eigene Gleichstellung ein. Womöglich nehmen sie ihre Benachteiligung weniger bewusst wahr, berichten Zürcher Forschende mit Kollegen. Wer regelmässig Kontakt mit Menschen aus benachteiligten Minderheitsgruppen hat, setzt sich eher für ihre Belange ein.

So nehmen heterosexuelle Personen eher an Demonstrationen, Petitionen oder Abstimmungen für die Rechte von Homosexuellen teil, wenn sie in ihrem Freundes- oder Bekanntenkreis positive Begegnungen mit Personen dieser sexuellen Orientierung haben.

Universität Zürich
Johannes Ullrich,Professor für Sozialpsychologie an der Universität Zürich - Universität Zürich

Auf die benachteiligten Gruppen haben solche engeren Kontakte jedoch eine ganz andere Wirkung. Dies berichtet Tabea Hässler und Johannes Ullrich von der Universität Zürich mit internationalen Kollegen. Haben sie Freunde oder Bekannte in gesellschaftlich privilegierten Gruppen, engagieren sie sich weniger dafür, ihre eigene Situation zu verbessern.

Studie mit 13'000 Personen

Für ihre Studie, die im Fachblatt «Nature Human Behaviour» erschienen ist, befragte das Forschungsteam fast 13'000 Personen aus 69 Ländern. Darunter waren auch Personen, die aufgrund ihrer ethnischen oder religiösen Zugehörigkeit, ihrer sexuellen Orientierung oder ihrer Geschlechteridentität gesellschaftlich benachteiligt sind. Dies teilte wie die Uni Zürich am Mittwoch mit.

Die Analyse der Umfrage bestätigt die von Sozialwissenschaftlern vertretene Annahme, dass Kontakte zwischen unterschiedlichen sozialen Gruppen Vorurteile abbauen. Ausserdem kann dadurch gegenseitiges Vertrauen gestärkt werden.

Benachteiligung weniger bewusst

Andererseits engagieren sich dadurch die benachteiligten Gruppen weniger für ihre eigene Gleichstellung. «Immigranten beispielsweise, die viele Berührungspunkte mit Menschen ihres Gastlandes haben, sind sich ihrer Benachteiligungen möglicherweise weniger bewusst.» So liess sich Hässler in der Mitteilung zitieren.

Universität Zürich
Tabea Hässler von der Universität Zürich. - Universität Zürich

Um dem entgegenzuwirken, sollten im Austausch zwischen verschiedenen sozialen Gruppen nicht nur Gemeinsamkeiten, sondern auch Benachteiligungen offen diskutiert werden. Dies betonen die Forschenden.

Auch wenn sich benachteiligte Gruppen durch den Kontakt offenbar weniger für die eigenen Rechte engagieren, so stiegt bei ihnen laut der Studie jedoch ebenfalls die Bereitschaft, sich solidarisch für mehr soziale Gerechtigkeit einzusetzen. «Dieser Wille, solidarisch zusammenzuarbeiten, vereint Personen aller Gruppen», so Ullrich. Dies könne ein Weg zu sozialem Wandel und mehr Gleichberechtigung aufzeigen.

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