Vor dem geplanten Treffen der Aussenminister aus der Ukraine und Russland sind weitere Zivilisten aus den von russischen Truppen belagerten Städten in der Ukraine evakuiert worden. Die Rettung der verzweifelten Menschen kam am Mittwoch jedoch nur langsam voran, vielerorts wurde von neuen Zwischenfällen berichtet. Allein in der Hafenstadt Mariupol sitzen Hunderttausende unter katastrophalen Bedingungen fest, nach Angaben der russischen Separatisten im Gebiet Donezk funktioniert der «humanitäre Korridor» immer noch nicht. Russland macht ukrainische Einheiten dafür verantwortlich, die Ukraine beschuldigt Russland, die Fluchtkorridore zu beschiessen.
Mariupol
Menschen haben sich in einem Krankenhaus in Mariupol während des Beschusses durch russische Streitkräfte auf den Boden geworfen. - sda - Keystone/AP/Evgeniy Maloletka

Das Wichtigste in Kürze

  • Geplantes Treffen in Antalya
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An diesem Donnerstag wollen der russische Aussenminister Sergej Lawrow und sein ukrainischer Kollege Dmytro Kuleba zu Gesprächen im türkischen Antalya zusammenkommen - es wäre das ranghöchste Gespräch seit Kriegsbeginn. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und seine Berater deuten inzwischen an, dass die Ukraine nicht mehr auf einer sofortigen Nato-Mitgliedschaft beharrt. Man schliesse nicht aus, über eine Neutralität des Landes zu sprechen, sagte Selenskyjs aussenpolitischer Berater Ihor Showkwa am Dienstagabend in der ARD. Das würde russischen Forderungen entgegenkommen.

Das russische Aussenministerium betonte laut einer Meldung der Agentur Tass seinerseits, dass Russland keinen Machtwechsel in der Ukraine anstrebe. Ziel sei «weder die Besatzung der Ukraine noch die Zerstörung ihrer Staatlichkeit noch der Sturz der aktuellen Führung». Was konkret von dem Aussenministertreffen zu erwarten ist, blieb aber unklar. Kuleba betonte, dass seine Erwartungen gering seien. Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte, das Treffen sei «sehr wichtig», er betonte aber: «Lassen Sie uns nicht vorgreifen. Lassen Sie uns das Treffen selbst abwarten.»

Russland hat die Ukraine vor zwei Wochen, am 24. Februar, angegriffen. Hunderttausende Menschen sind seit Beginn der Invasion auf der Flucht. Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) telefonierte am Mittwoch erneut mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin. Greifbare Ergebnisse wurden nicht bekannt. Beide hätten «politisch-diplomatische Anstrengungen» zur Lösung des Konflikts besprochen, teilte der Kreml in Moskau mit.

Rettung aus umkämpften Städten

Die militärischen Fronten schienen am Mittwoch weitgehend statisch. Nach ukrainischen Angaben gab es wieder Angriffe auf mehrere Städte und dabei Tote und viele Verletzte. Ukrainische Medien veröffentlichten Bilder aus Irpin bei Kiew, die zeigten, wie alte und kranke Menschen auf Tragen in Sicherheit gebracht wurden. In der Stadt Sumy im Nordosten des Landes trafen am Mittwochmittag Busse ein. Nach Angaben des Vizechefs des Präsidentenbüros, Kyrylo Tymoschenko, fuhren im südukrainischen Enerhodar sowie in Isjum nahe Charkiw im Nordosten die ersten Fahrzeuge mit Zivilisten ab.

Sanktionen werden erweitert

Die EU-Staaten haben sich angesichts des anhaltenden Kriegs auf eine erneute Ausweitung der Sanktionen gegen Russland und dessen Partnerland Belarus verständigt. Wie die EU-Kommission in Brüssel mitteilte, werden 14 weitere russische Oligarchen und prominente Geschäftsleute auf die Liste derjenigen Personen kommen, deren Vermögenswerte in der EU eingefroren werden und die nicht mehr einreisen dürfen. Zudem sind ein Verbot für die Ausfuhr von Schifffahrtsausrüstung sowie der Ausschluss dreier belarussischer Banken aus dem Kommunikationsnetzwerk Swift vorgesehen.

Auf den von der Ukraine geforderten Stopp von Energieimporten aus Russland konnten sich die EU-Staaten auch nach einem entsprechenden Beschluss der USA weiter nicht verständigen.

Kein Boykott russischer Energielieferungen

Die Bundesregierung sieht weiter keine Möglichkeit für einen sofortigen Boykott russischer Energielieferungen nach dem Vorbild der USA. Die USA seien Exporteur von Gas und Öl, was man für Europa insgesamt nicht sagen könne, betonte Bundeskanzler Scholz in Berlin bei einer Pressekonferenz mit Kanadas Premierminister Justin Trudeau. «Und deshalb sind die Dinge, die getan werden können, auch unterschiedlich.» Die Spritpreise in Deutschland stiegen am Mittwoch weiter kräftig an.

Die USA haben als Reaktion auf den russischen Angriffskrieg gegen die Ukraine am Dienstag ein Importverbot für Öl aus Russland erlassen. Grossbritannien will seine Ölimporte aus Russland zuerst bis Jahresende senken und dann kein Öl mehr von dort importieren.

Kremlsprecher Peskow warf den USA vor, sie führten einen Wirtschaftskrieg gegen Russland. Er betonte, dass Russland ein zuverlässiger Öl- und Gaslieferant sei, drohte aber gleichzeitig mit Einschränkungen. «Feindselige Exzesse des Westens» machten «die Situation sehr kompliziert und lassen uns intensiv darüber nachdenken», sagte Peskow mit Blick auf die massiven Sanktionen gegen Russland. Zuvor hatte Vize-Regierungschef Alexander Nowak offen mit einem Gas-Lieferstopp durch die Pipeline Nord Stream 1 gedroht.

Streit um Kampfjets für die Ukraine

Der Vorschlag des polnischen Aussenministeriums, der Ukraine Kampfflugzeuge zu überlassen, stiess bei Scholz auf Ablehnung. Er verwies auf Finanzhilfen, humanitäre Unterstützung und die Lieferung einzelner Waffensysteme. «Und ansonsten ist es aber so, dass wir sehr genau überlegen müssen, was wir konkret tun. Und dazu gehören ganz sicherlich keine Kampfflugzeuge», sagte Scholz.

Das polnische Aussenministerium hatte am Dienstagabend einen Plan zur indirekten Überlassung von Kampfflugzeugen an die Ukraine vorgestellt: Die Regierung in Warschau sei bereit, Jets vom Typ MiG-29 auf den US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in Rheinland-Pfalz zu verlegen und sie den USA zur Verfügung zu stellen. Das US-Verteidigungsministerium bezeichnete den Vorschlag umgehend als «nicht haltbar» und verwies unter anderem auf die geopolitische Bedenken, wenn Kampfjets von einem US- beziehungsweise Nato-Stützpunkt in den umkämpften ukrainischen Luftraum flögen.

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