Jahrelang hatte der Börsenstar Wirecard eine weisse Weste. Sonderprüfer haben nun aufgedeckt, dass das Unternehmen seit 2015 Scheingewinne ausgewiesen hat.
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Teilnehmer kommen zur Sitzung des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum Bilanzskandal Wirecard zusammen. Geladen sind Wirtschaftsprüfer von KPMG und EY. - dpa

Das Wichtigste in Kürze

  • Sonderprüfer haben den Wirecard-Bilanzskandal untersucht.
  • Der Börsenstar soll jahrelang Scheingewinne ausgewiesen haben.
  • Nun steht der Kontrolleur EY unter Druck.
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Der aufstrebende Börsenstar Wirecard soll jahrelang Scheingewinne ausgewiesen haben. Wirtschaftsprüfer bescheinigten ihm jedoch eine weisse Weste. Eine Befragung im Bundestag gibt Hinweise, dass der Skandal früher hätte auffallen können.

Im Untersuchungsausschuss des Bundestags zum Wirecard-Bilanzskandal haben sich Defizite bei der Abschlussprüfung des Skandalunternehmens angedeutet.

«Keine Raketenwissenschaft»

Befragt wurde am Donnerstag im Bundestag unter anderem der Sonderuntersucher Alexander Geschonneck von der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG. Er hatte in einer Sonderprüfung aufgedeckt, dass es keine Nachweise zur Existenz von angeblichen Kundenbeziehungen gab. Dasselbe gelte für die daraus erzielten Umsätzen des aufsteigenden Tech-Konzerns.

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Kay Gottschalk (AfD), Ausschuss-Vorsitzender, leitet die Sitzung des Bundestags-Untersuchungsausschusses zum Bilanzskandal Wirecard. - dpa

Dafür habe er keine speziellen Methoden anwenden müssen, sagte der Wirtschaftsinformatiker aus. «Es ist keine Raketenwissenschaft, was wir da gemacht haben», betonte er.

Wirtschaftsprüfer baut auf Vertrauen

Es habe sich um Standardprüfmethoden gehandelt, die auch das Institut der deutschen Wirtschaftsprüfer vorsehe. «Wir haben nicht weiter gemacht, als uns nach unseren Standards zu verhalten», sagte Geschonneck. Die konkrete Arbeit der Wirecard-Prüfer der Prüfungsgesellschaft EY wollte er nicht bewerten. Diese Prüfer hatten die Abschlüsse des Skandalkonzerns jahrelang als ordnungsgemäss bestätigt.

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Das Logo von Wirecard. - dpa

Ein Wirtschaftsprüfer von EY berief sich bei seiner Befragung am Abend auf seine Schweigepflicht. Er machte aber generelle Aussagen zum Ablauf von Wirtschaftsprüfungen. Konkret zum Fall Wirecard wolle er sich gern äussern, könne das aber nicht, bevor die Rechtslage nicht eindeutig geklärt sei. So sagte Christian Orth.

Der 50-Jährige leitet nach eigener Aussage bei EY die Abteilung für interne Qualitätssicherung. Orth betonte im Ausschuss unter anderem, ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk von Wirtschaftsprüfern sei kein Gütesiegel für Unternehmen. Die Arbeitsweise des Wirtschaftsprüfers baue leider auch auf Vertrauen, sagte er.

Bilanz-Kontrolleur EY unter Druck

Der Finanzpolitiker der Grünen, Danyal Bayaz, wertete die Aussage des KPMG-Prüfers Geschonnecks als «desaströses Zeugnis» für die Abschlussprüfer von EY.

Es gebe erhebliche Zweifel, ob dem jahrelangen Abschlussprüfer jemals geeignete Unterlagen vorlagen, um die Existenz der Konten zu bestätigen. So betonte der SPD-Obmann im Ausschuss, Jens Zimmermann. Mit einer ordnungsgemässen Abschlussprüfung wäre der Wirecard-Betrug aufgeflogen, erklärte er.

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Der SPD-Obmann im Wirecard-Ausschuss, Jens Zimmermann. - dpa

Die Bilanz-Kontrolleure von EY stehen derzeit in mehrerlei Hinsicht unter Druck. So erhebt nach einem Bericht des «Handelsblatts», der der dpa bestätigt wurde, auch die Wirtschaftsprüferaufsicht Apas Vorwürfe gegen sie. Es soll Hinweise auf Straftaten der beteiligten Akteure geben. Die Aufsichtsbehörde habe deshalb die Staatsanwaltschaft eingeschaltet.

Prüfer berufen sich auf Schweigepflicht

Ein EY-Sprecher erklärte dazu: «EY sieht keinerlei Anhaltspunkte für ein strafrechtlich relevantes Fehlverhalten von Abschlussprüfern von EY im Fall Wirecard.»

Der Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi, kommentierte: «Bei EY brennt der Dachstuhl!» Mehrere Mitarbeiter der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft sollten am späteren Abend im Ausschuss noch aussagen. Sie beriefen sich aber bereits zuvor auf ihre Schweigepflicht als Wirtschaftsprüfer.

Seit 2015 Scheingewinne ausgewiesen

Der Untersuchungsausschuss will aufdecken, ob das deutsche Fintech-Unternehmen Wirecard trotz Hinweisen auf Unregelmässigkeiten mit Samthandschuhen angefasst wurde.

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Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Wirecard, Markus Braun, sagt im Wirecard-Untersuchungsausschuss des Bundestages aus. - Keystone

Der inzwischen insolvente frühere Dax-Konzern hatte im Sommer Luftbuchungen von 1,9 Milliarden Euro eingeräumt. Das einst als deutsche Technologiehoffnung gehandelte Unternehmen machte nach bisherigem Stand der Ermittlungen jahrelang Verluste.

Die Münchner Staatsanwaltschaft geht davon aus, dass seit 2015 Scheingewinne auswiesen wurden. Allein Banken und Investoren verloren nach ihren Berechnungen mehr als drei Milliarden Euro. Auch viele Aktionäre büssten nach dem Börsenabsturz grosse Summen ein.

Wirecard behinderte Untersuchung

KPMG war im Oktober 2019 mit der Sonderprüfung beauftragt worden, nachdem es mehrere Berichte über Unregelmässigkeiten bei Wirecard gegeben hatte. Das Unternehmen habe den Sonderprüfern danach einige Steine in den Weg gelegt, sagte Geschonneck aus.

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Das Logo der insolventen Firma Wirecard hängt an der Fassade des Unternehmens in Aschheim bei München. - Keystone

«Im Verlauf der Untersuchung sind wir auf erhebliche Hindernisse gestossen, die in der mangelnden Kooperationsbereitschaft von Wirecard begründet lagen.» Dokumente seien teils mit mehrmonatiger Verspätung zur Verfügung gestellt, Interviewtermine verschoben und der Zugang zu IT-Systemen nicht ermöglicht worden.

Keine ausreichenden Nachweise

Das Ergebnis sei trotzdem klar gewesen: Für die Geschäfte mit Drittpartnern in Asien habe Wirecard keine ausreichenden Nachweise zur Existenz von Kundenbeziehungen vorgelegt. Dasselbe gelte auch für die angeblich daraus erzielten Umsätzen.

Diese Geschäfte sollen bei Wirecard zuletzt mehr als die Hälfte des Umsatzes und einen Grossteil des Gewinns ausgemacht haben. Es habe aber keine ausreichenden Nachweise zur Höhe der Umsätze, zu Kontoständen oder Zahlungseingängen gegeben. So berichtete Geschonneck.

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