Um eine Brandschutzprüfung durchzuführen, musste die Polizei am Donnerstag die Tür des besetzten Hauskomplex «Rigaer 94» aufbrechen.
Rigaer 94
Polizisten tragen einen Schild vor der gewaltsamen Öffnung der Tür von dem Haus «Rigaer 94» in der Rigaer Strasse in Berlin-Friedrichshain. - Keystone

Das Wichtigste in Kürze

  • Am Donnerstag hat die Polizei die Tür zur «Rigaer 94» aufgebrochen.
  • Anlass war ein längst überfälliger Brandschutztermin.
  • Der Polizeieinsatz forderte mehrere Verletze und grosse Sachschäden.
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Zum geplanten Brandschutztermin in der «Rigaer 94» rückt ein Grossaufgebot der Polizei an. Bewohner des Hauses attackieren Einsatzkräfte. Sogar der Bundespräsident meldet sich zu Wort. Einen Tag nach den Krawallen in Berlin-Friedrichshain hat sich die Polizei gewaltsam Zutritt in das von Linksradikalen verbarrikadierte Haus verschafft.

Brandschutzprüfung im «Rigaer 94»

Anlass war die Durchsetzung einer lange angekündigten Brandschutzprüfung. Polizisten brachen am Donnerstagvormittag mit schwerem Gerät die Türen zum «Rigaer 94» auf. Bewohner aus der linksradikalen Szene besprühten sie mit Pulver aus einem Feuerlöscher und bewarfen sie mit Farbe.

Rigaer 94
Ein Polizist hat Kalk und Farbe auf der Uniformen nach der gewaltsamen Öffnung des Hauses Rigaer Strasse 94 in Berlin-Friedrichshain. - Keystone

Die Polizei sprach von mindestens 21 verletzten Beamten. Sie kündigte die Suche nach den Tätern in dem Gebäudekomplex aus drei Häusern an. Erst am Mittag konnte der Brandschutzprüfer das Grundstück in der Rigaer Strasse betreten - unter dem Schutz der Polizei. Die Arbeit des Experten war am Donnerstagnachmittag abgeschlossen.

Barrikaden und Solidaritätsbekundungen

Am Mittwochvormittag hatten zahlreiche Vermummte Barrikaden errichtet, angezündet und die Polizei mit Steinwürfen angegriffen. 63 Beamte wurden nach Polizeiangaben verletzt.

Aus Solidarität mit den Hausbesetzern der «Rigaer 94» zogen am Donnerstagabend nach Polizeiangaben rund 2000 Menschen durch Friedrichshain. Teilnehmer des Demonstrationszugs bewarfen dabei die Polizei mit Flaschen und Steinen, wie ein Reporter der Deutschen Presse-Agentur berichtete.

Rigaer 94
Vermummte Teilnehmer tragen bei einer Demonstration von Unterstützern der Bewohner des Hauses in der «Rigaer 94» ein Transparent. - Keystone

Auch Rauchtöpfe und Böller wurden gezündet. Skandiert wurde unter anderem: «Bullenschweine raus aus der Rigaer!» Die Beamten setzten Reizgas ein, es kam auch zu Rangeleien.

Steinmeier empört

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier äusserte sich empört. Die äusserst gewalttätigen Ausschreitungen seien «nicht hinnehmbar und erfordern eine unmissverständliche Antwort des Rechtsstaates». Dies schrieb er in einem Brief an die Einsatzkräfte, der auf seiner Facebook-Seite veröffentlicht wurde.

Frank-Walter Steinmeier
Der deutsche Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. - Keystone

Die Ausschreitungen und die «erschreckend hohe Zahl der verletzten Polizeikräfte» erschütterten ihn, schrieb Steinmeier. «Der Einsatz der Polizei soll ein rechtsstaatliches Verfahren beim Zugang zum Haus Rigaer Strasse absichern. Die Gerichte haben geprüft und entschieden.»

Grosseinsatz der Polizei

Die Polizei setzt auch auf die Auswertung von Zeugenhinweisen. Die Ermittler riefen am Donnerstag dazu auf, Foto- und Videoaufnahmen zur Verfügung zu stellen. Die Polizei nahm am Mittwoch nach eigenen Angaben vier Personen fest.

Darunter sei ein 41-Jähriger, der am Donnerstag vor den Haftrichter kommen sollte. Ihm werde vorgeworfen, Steine auf Einsatzkräfte geworfen und dabei ein Auto beschädigt zu haben. Der 41-Jährige sei bei der Tat stark alkoholisiert gewesen.

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Polizisten öffnen die Tür dem Haus «Rigaer 94» in der Rigaer Strasse in Berlin-Friedrichshain. - Keystone

Auch in der Nacht zum Donnerstag habe es an unterschiedlichen Orten Angriffe auf die Polizei und Einsatzfahrzeuge gegeben. Unter anderem mit einem Farbbeutel und einem Stein. Auch Gebäude seien beschädigt worden, etwa bei einem Immobilienmakler.

Über 1000 Polizisten im Einsatz

Die Polizei war am Donnerstag nach eigenen Angaben mit insgesamt mehr als 1000 Kräften im Einsatz. Die Strassen um das Haus «Rigaer 94» waren weiträumig von Polizisten abgesperrt und mehrere Dächer von ihnen besetzt. In der Nachbarschaft der «Rigaer 94» blieben am Donnerstag Schule und Kita geschlossen, ebenso das Bezirksamt. Die Polizei handelte im Auftrag der Bauaufsicht des Bezirks.

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Polizisten stehen bei einer Demonstration von Unterstützern der Bewohner des Hauses in der «Rigaer 94». - Keystone

In dem Gebäudekomplex «Rigaer 94» mit 30 Wohnungen waren schon vor Jahren zahlreiche Mängel beim Brandschutz dokumentiert worden: fehlende Fluchtwege, Wanddurchbrüche, fehlerhafte Elektroleitungen und Sperren in Treppenhäusern. Für einen Teil der 30 Wohnungen gibt es Mietverträge. Es ist aber unklar, wer dort wohnt. Das Haus ist eines der letzten besetzten Häuser in der Hauptstadt und gilt auch als Symbol für die linksextreme Szene.

Anwälte der Bewohner kletterten durch Fenster

Am Donnerstagvormittag hatten zunächst Bezirk, Polizei, der Brandschutzexperte und Anwälte der Bewohner über die gerichtlich angeordnete Prüfung beraten. Die Bewohner wollten den Brandschutzexperten nur allein, ohne Polizeischutz, einlassen. Das lehnte er jedoch ab. Anwälte der Bewohner kletterten durch Fenster rein und wieder raus.

Schliesslich trugen Polizisten Ramme, Trennschleifer und Kettensäge zum Haus. Sie brachen sehr schnell das erste Tor zum Durchgang des Vorderhauses auf. Für eine zweite Tür brauchten sie deutlich länger und wurden währenddessen durch Öffnungen von innen mit Feuerlöschpulver besprüht. Mit Gasmasken arbeiteten sie weiter.

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Das besetzte Haus «Rigaer 94». - Keystone

Schliesslich verschafften sich Polizisten über den Hof eines Nachbarhauses Zugang zum Hinterhof, wo sie mit Farbe beworfen oder überschüttet wurden. Bewohner riefen parallel über Lautsprecher zum Widerstand auf. Das Lied «Cop Killer» dröhnte über die Strasse. Über dem Haus explodierten Raketen und es waren Böller zu hören.

Nach ersten Angaben der Polizei wurden 8 Polizisten durch Feuerlöschpulver verletzt, weitere 13 erlitten ein Knalltrauma. Die Bewohner der «Rigaer 94» twitterten am Abend: Sie wollen die Lage auswerten und «eine Einschätzung für die nächsten Tage» abgeben.

Ermittlungsverfahren laufen

Berlins Innensenator Andreas Geisel (SPD) sagte: «Im Zusammenhang mit den Angriffen vom Mittwoch laufen zwölf Ermittlungsverfahren unter anderem wegen versuchten Totschlags. Auch wegen gefährlicher Körperverletzung und besonders schweren Landfriedensbruchs. Es ist äusserste Brutalität an den Tag gelegt worden», sagte Geisel im Abgeordnetenhaus.

«Das ist offenes Gangstertum.» Er fügte hinzu: «Ich bin fest überzeugt, dass der Rechtsstaat an dieser Stelle Zähne zeigen muss, dass wir das nicht einfach hinnehmen können.»

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Polizisten öffnen die Tür dem Haus «Rigaer 94» in der Rigaer Strasse in Berlin-Friedrichshain. - Keystone

Die Innenministerkonferenz, die derzeit im baden-württembergischen Rust tagt, erklärte: «Gewalt ist niemals ein Mittel der politischen Auseinandersetzung und im demokratischen Meinungsstreit.» Die Innenminister stünden «uneingeschränkt hinter den Sicherheitskräften, die vor Ort im Einsatz waren und auch heute wieder sind». Wer Polizisten angreife, «greift unsere Gesellschaft als Ganzes an». Weiter hiess es: «Das akzeptieren wir nicht - egal, ob die Gewalt rechts- oder linksextremistisch oder islamistisch motiviert ist».

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