Paris will nach Siemens-Alstom Ministerveto auf EU-Ebene einführen

Das Wichtigste in Kürze
- Bundesfinanzminister Scholz unterstützt Vorschlag bisher nicht.
Der Rat der EU-Mitgliedstaaten müsse das Recht bekommen, «eine Wettbewerbsentscheidung der Europäischen Kommission anzufechten», sagte Finanzminister Bruno Le Maire am Dienstag in Brüssel. Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD) sprach sich zwar für eine Reform des EU-Wettbewerbsrechts aus, unterstützte Le Maires Vorschlag aber vorerst nicht.
Europa müsse in der Lage sein, «neue industrielle Champions» zu bilden, und brauche dafür ein Wettbewerbsrecht für das 21. Jahrhundert, sagte Le Maire beim Treffen der EU-Finanzminister. Er werde über das Thema am Dienstag kommender Woche bei einem Besuch in Berlin mit Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) beraten. Dabei müssten «alle Konsequenzen» aus dem Fall Alstom-Siemens gezogen werden.
Die EU-Kommission hatte die Fusion der Bahnsparten des deutschen Siemens-Konzerns und der französischen Alstom-Gruppe vergangene Woche untersagt. Sie machte «erhebliche wettbewerbsrechtliche Bedenken» geltend und warnte vor höheren Preisen bei Signalsystemen und Hochgeschwindigkeitszügen. Berlin und Paris hatten die Bildung eines solchen «Airbus der Schiene» mit Blick auf die wachsende Konkurrenz aus China unterstützt.
Die Ministererlaubnis gibt es auf nationaler Ebene in vielen EU-Staaten, darunter auch in Deutschland und Frankreich. Für grenzüberschreitende europäische Zusammenschlüsse, die in Brüssel geprüft werden, existiert sie aber nicht.
Auf europäischer Ebene sei die Frage «komplizierter», sagte Scholz auf die Frage, ob er Le Maires Vorstoss für das EU-Ministerveto unterstütze. Eine Modnernisierung des europäischen Wettbewerbsrechts sei wichtig. «Die Details stehen natürlich noch nicht fest.»
Es gebe zwei Wege, damit europäische Unternehmen auf dem Weltmarkt erfolgreich sein könnten, sagte Scholz. Unternehmenszusammenschlüsse seien dabei «gar nicht so sehr der wichtigste». Europa müsse vielmehr die Bedingungen schaffen, damit «aus kleinen guten Geschäftsideen» wie in den USA «grosse europäische Unternehmen entstehen können». Dies sei in der EU oft noch kompliziert «wegen der vielen nationalen Regelungen».
Zumindest grundsätzlich einig sind Deutschland und Frankreich in der Frage, ob in Steuerfragen künftig auf EU-Ebene auch Mehrheitsentscheidungen eingeführt werden sollen. Scholz nannte als mögliche Bereiche die Mehrwertsteuer, eine gemeinsame Bemessungsgrundlage bei der Unternehmensbesteueurng und den Kampf gegen Steuervermeidung. Schnelle Ergebnisse erwartet er aber nicht: «Das wird eine längere Debatte, weil nicht alle sofort begeistert sind», sagte er.
Dies bestätigte EU-Vizekommissionspräsident Valdis Dombrovskis. Es gebe «abweichende Ansichten» zu der Frage der Mehrheitsbeschlüsse, sagte er nach dem Treffen. Einige Minister hätten Bedenken geäussert oder seien gegen die Idee.
Der Zwang zur Einstimmigkeit in der EU wurde durch den 2009 in Kraft getretenen Reformvertrag von Lissabon in vielen Politikbereichen beseitigt. Beschlüsse mit qualifizierter Mehrheit sind heute über alle Ressorts hinweg die am stärksten verbreitete Abstimmungsmethode. Vorgeschrieben ist die Einstimmigkeit ausser in der Steuerpolitik noch in der Aussen- und Sicherheitspolitik. Auch hier gibt es Forderungen nach der Einführung von Mehrheitsbeschlüssen.