Die grosse Koalition hat ihr zentrales sozialpolitisches Vorhaben im Bundestag verabschiedet.
Rentner in Schönebeck
Rentner in Schönebeck - AFP/Archiv

Das Wichtigste in Kürze

  • Bundestag stimmt Vorlage mit Stimmen der Koalitionsfraktionen zu.
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Rentnerinnen und Rentner, die trotz jahrzehntelanger Arbeit nur eine kleine Rente beziehen, bekommen künftig automatisch eine Zulage. Die Grundrente, deren Einführung der Bundestag am Donnerstag mit den Stimmen von Union und SPD beschloss, soll aus dem Bundeshaushaushalt finanziert werden. Die Opposition kritisierte das Vorhaben als zu bürokratisch, zu teuer und zu wenig zielgenau.

Profitieren von der neuen Leistung sollen rund 1,3 Millionen Menschen, die während ihrer Berufstätigkeit wenig verdient haben und deshalb von Altersarmut bedroht sind - etwa Kassierer, Lagerarbeiter oder Altershelfer. «Wir erneuern ein Grundversprechen unseres Sozialstaats: Wer sein Leben lang gearbeitet hat, ist abgesichert», sagte Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) im Bundestag. Die Grundrente sei eine «Richtungsentscheidung»: Sie biete «die Chance, unser Land besser und gerechter zu machen».

Auf die Auszahlung müssen die Berechtigten allerdings noch eine Weile warten. Die Deutsche Rentenversicherung Bund erklärte am Donnerstag, aus den knapp 26 Millionen laufenden Renten müssten jene herausgefiltert werden, die alle Voraussetzungen erfüllen. Dies erfordere eine umfassende Prüfung. Die Auszahlung der ersten Grundrentenzuschläge sei deshalb frühestens Mitte nächsten Jahres möglich.

Offiziell tritt die Grundrente am 1. Januar des kommenden Jahres in Kraft - Beträge sollen nachträglich ausgezahlt werden, wenn die Prüfung längere Zeit in Anspruch nimmt. Anspruch auf die Leistung haben Geringverdiener, die 35 Betragsjahre vorweisen können. Es müssen aber noch eine Reihe weiterer Voraussetzungen erfüllt sein.

Innerhalb der schwarz-roten Koalition war kaum ein Projekt so umstritten wie die Grundrente. Zwar stimmten Union und SPD im Ziel überein - langjährig Beschäftigte sollten vor Altersarmut bewahrt werden. Streit gab es aber um die Finanzierung und um die Frage einer Einkommensprüfung. Die Union stimmte nach langem Widerstand einer Finanzierung aus dem Bundeshaushalt zu, weil sich die vom SPD-geführten Bundesfinanzministerium eingeplanten zusätzlichen Einnahmen aus einer Finanztransaktionssteuer nicht umsetzen liessen.

«Wir freuen uns und stimmen gerne dieser Grundrente zu», sagte der CDU-Politiker Herman Gröhe im Bundestag. Zugleich kritisierte er, dass das Bundesfinanzministerium noch kein endgültiges Konzept für die Finanzierung vorgelegt habe. Dies müsse nachgeholt werden: «Ich hätte mir gewünscht der Finanzminister hätte nicht nur markig von der Seite kommentiert, sondern kraftvoll geliefert.»

Die Opposition kritisierte die neue Grundrente. Der FDP-Rentenexperte Johannes Vogel sprach im Bundestag von einer «sozialpolitischen Irrfahrt». Die Grundrente sei weder solide finanziert noch helfe sie effektiv gegen Altersarmut. Die AfD kritisierte, das Vorhaben sei zu teuer, die Auszahlungen seien zu gering.

Der Linken-Abgeordnete Matthias Birkwald kritisierte die «haarsträubend komplizierte Einkommensprüfung», welche die Grundrente zu einem «bürokratischen Monstrum» mache. Der Grünen-Sozialexperte Markus Kurth warnte davor, dass die Grundrente «massenhaft Enttäuschung stiftet», weil Zeiten der Arbeitslosigkeit und der Erwerbsminderung nicht angerechnet würden - und viele Menschen deshalb nicht auf die erforderlichen Versicherungsjahre kämen.

Sozialverbände begrüssten die neue Leistung, mahnten aber Nachbesserungen an. «Wir hätten uns gewünscht, dass die hohen Hürden bei dieser Grundrente nach und nach runter gesetzt werden», sagte der Hauptgeschäftsführer des Paritätischen Wohlfahrtsverbands, Ulrich Schneider, im RBB. «35 Beitragsjahre, um die volle Rente zu bekommen, ist einfach zu lang.»

Caritas-Präsident Peter Neher erklärte, er freue sich, dass «viele Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, mit der Grundrente im Alter eine spürbar höhere Rente erhalten werden». Die Arbeiterwohlfahrt sprach von einem «rentenpolitischen Meilenstein».

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