Laut Generalanwalt der EU ist Zwangspensionierung in Polen illegal

Das Wichtigste in Kürze
- Der EU-Generalanwalt hat ein Gutachten verfasst.
- Darin steht, dass die polnische Justizreform gegen das EU-Recht verstösst.
Laut dem Generalanwalt der EU verstösst die umstrittene Zwangspensionierung von Richtern in Polen gegen EU-Recht. Die Reform verletze sowohl den Grundsatz der Unabsetzbarkeit von Richtern als auch ihre Unabhängigkeit. Dies befand der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs, Evgeni Tanchev, heute Donnerstag in Luxemburg (Rechtssache C-619/18).
Nach einer einstweiligen Verfügung des EuGH hatten die Richter ihre Arbeit im vergangenen Jahr bereits wieder aufgenommen. Die polnische Regierung hob das fragliche Gesetz wieder auf.
Herabsetzung des Renteneintrittsalter
Konkret geht es um jenes Gesetz, mit dem Polens das Renteneintrittsalter oberster Richter von 70 auf 65 Jahre herabgesenkt hatte. Kritiker warfen den Regierenden vor, sie wollten mit der Reform missliebige Richter loswerden.
Mehr als 20 Juristen waren durch die Reform in den Ruhestand geschickt worden. Eine Verlängerung der von der Pensionierung betroffenen Richter musste infolge der Reform von Präsident Andrzej Duda genehmigt werden.

Die für die Verfolgung von Verstössen gegen EU-Recht zuständige EU-Kommission sah die Unabhängigkeit der Justiz bedroht. Deswegen klagte sie gegen das Gesetz beim EuGH.
Generalanwalt sieht Unabhängigkeit der Richter gefährdet
Generalanwalt Tanchev betonte nun, die Nichtabsetzbarkeit der Richter sei eine wesentliche Garantie für ihre Unabhängigkeit. Richter dürften nur dann suspendiert oder aus dem Dienst entfernt werden, wenn sie arbeitsunfähig oder wegen ihres Verhaltens ungeeignet fürs Amt seien.
Eine vorzeitige Pensionierung sei nur auf Antrag des Betroffenen oder aus medizinischen Gründen möglich. Durch die plötzliche Entfernung einer grossen Zahl von Richtern habe ausserdem das Vertrauen der Öffentlichkeit gelitten.
Zudem bemängelte der Gutachter, die Reform sei geeignet, das Oberste Gericht und seine Richter äusseren Eingriffen und dem Druck des Präsidenten auszusetzen. Die Einschätzung eines Gutachters ist für die EuGH-Richter nicht bindend, häufig folgen sie ihr aber. Ein Urteil dürfte in den kommenden Monaten fallen.
Die Regierungspartei PiS hat seit ihrer Machtübernahme 2015 das Gerichtswesen umfassend reformiert und es sich Kritikern zufolge unterstellt. Die EU-Kommission leitete 2017 deshalb ein Rechtsstaatsverfahren ein. Dies gilt als schärfste Waffe gegen Regelverstöse von Mitgliedsstaaten. Im letzten Schritt könnte das sogar mit einem Entzug der EU-Stimmrechte enden.