EU-Länder einigen sich auf Aussetzung der Schuldenregeln

Das Wichtigste in Kürze
- Die EU setzt vorübergehend die Schuldenregeln aus.
- Das Geld kann für Hilfspakete im Kampf gegen den Coronavirus eingesetzt werden.
Die EU-Länder setzen vorübergehend die Schuldenregeln aus. Dem stimmten die EU-Wirtschafts- und Finanzminister am Montag zu.
Sie billigten den Vorschlag der EU-Kommission, die sogenannte Allgemeine Ausweichklausel des Stabilitäts- und Wachstumspakts zu ziehen. Dies soll den EU-Staaten vorübergehend freie Hand für Hilfspakete für Unternehmen und Arbeitnehmer geben.
In Erwartung eines «schwerwiegenden Konjunkturabschwungs» wegen der Coronavirus-Pandemie hatte die Kommission die Aktivierung der Klausel am Freitag vorgeschlagen.
So sollen Mitgliedsstaaten alle «für eine angemessene Bewältigung der Krise erforderlichen Massnahmen» ergreifen können. Dies, ohne gegen den Stabilitäts- und Wachstumspakt zu verstossen, wie die Behörde dazu erklärte.
Brüssel erwartet Abschwung
Der Pakt von 1997 legt fest, dass das Haushaltsdefizit höchstens drei Prozent der Wirtschaftskraft eines Landes betragen dürfen. Der Schuldenstand höchstens 60 Prozent. Die «allgemeine Ausgleichsklausel» wurde 2011 nach der Wirtschafts- und Finanzkrise eingefügt, um in akuten Krisensituationen mehr Handlungsspielräume zu erlauben. Sie wurde noch nie angewendet.
Der Rückgang der Wirtschaftsleistung 2020 ist vergleichbar mit dem Abschwung im Jahr der weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise 2009. Damals war die Wirtschaft in der EU um 4,3 Prozent geschrumpft und in der Eurozone um 4,5 Prozent.
Die Einigung der EU-Wirtschafts- und Finanzminister muss nun noch formal in einem schriftlichen Verfahren der 27 EU-Staaten bestätigt werden.
Diskussion um Solidaritätsklausel
Die EU-Aussenminister diskutierten ihrerseits am Montag über die Aktivierung der sogenannte «Solidaritätsklausel» wegen der Corona-Krise. Der deutsche Aussenminister Heiko Maas sagte nach der Videokonferenz in Berlin, er habe dies seinen EU-Kollegen vorgeschlagen.
Ziel sei es, die Reaktion der EU auf die Ausbreitung des Coronavirus durch «ganz konkrete Massnahmen» zu stärken. Und ausserdem «materielle und personelle Kapazitäten innerhalb der EU» dort zur Verfügung zu stellen, «wo der Bedarf am grössten ist».
Unterstützung erhielt der Deutsche von seinem österreichischen Amtskollegen Alexander Schallenberg. Auch er ist der Meinung, dass infolge der Corona-Krise die EU-Solidaritätsklausel «umgehend aktiviert» werden sollte. «Wir müssen in dieser grössten Krise der vergangenen Jahrzehnte zeigen, dass die Mitgliedsstaaten zusammenstehen und wir uns unterstützen», so Schallenberg.
Mobilisierung aller Mittel
Die Solidaritätsklausel findet sich in Artikel 222 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union. Sie soll gewährleisten, dass die EU insgesamt Mitgliedstaaten bei Terroranschlägen und Naturkatastrophen schnell, wirksam und einheitlich unterstützt.
Demnach mobilisiert die Union «alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel, einschliesslich der ihr von den Mitgliedstaaten bereitgestellten militärischen Mittel».
Maas forderte nach eigenen Angaben den EU-Aussenbeauftragten Josep Borrell auf, eine Diskussion über die Aktivierung der Solidaritätsklausel einzuleiten. Dazu solle er einen konkreten Beschlussvorschlag dazu zu erstellen.
In der EU sind die Mitgliedstaaten unterschiedlich stark von der Ausbreitung des Coronavirus betroffen. Am stärksten hat sich das Virus bisher in Italien verbreitet. Dort starben bereits fast 5500 Menschen an der Covid-19-Krankheit.