Serbiens Präsident hat die geplante Ausgangssperre zurückgenommen. Trotzdem kommt Belgrad nicht zur Ruhe: Erneut kam es zu Ausschreitungen.
Polizisten setzen in Belgrad Tränengas gegen Demonstranten ein
Polizisten setzen in Belgrad Tränengas gegen Demonstranten ein - AFP

Das Wichtigste in Kürze

  • Serbiens Präsident hat die geplante Corona-Ausganssperre zurückgenommen.
  • Trotzdem versammelten sich erneut Tausende vor dem Parlament in Belgrad.
  • Dabei kam es erneut zu Auseinandersetzungen zwischen Demonstranten und Polizei.
Ad

Serbiens Präsident Aleksandar Vucic hat am frühen Mittwochabend die geplante Corona-Ausgangssperre zurückgenommen. Damit reagierte er auf die massiven Proteste in der Nacht zum Mittwoch, die teils in Unruhen ausarteten.

Belgrad, Serbien
Der serbische Präsident Aleksander Vucic spricht während einer Pressekonferenz in Belgrad. (Archivbild) - Keystone

«Es wird sicherlich neue Massnahmen für Belgrad geben, aber keine Polizeistunde», sagte er. Die Einzelheiten werde der Krisenstab der Regierung am Donnerstag bekanntgeben.

Wieder Unruhen in Belgrad

Trotz der Ankündigung kommt Serbiens Hauptstadt nicht zur Ruhe. Am Mittwochabend versammelten sich nach Dienstagabend zum zweiten Mal in Folge Tausende Menschen vor dem Parlamentsgebäude in Belgrad, um gegen die Vucic-Regierung zu protestieren.

Demonstriert wurde auch in Novi Sad im Norden und in Nis im Süden des Landes. Das hinter dem Wahlboykott stehende Oppositionsbündnis Allianz für Serbien hatte zu den Protesten aufgerufen.

Wie verschiedene Medien berichten, begann der Protest in Belgrad am frühen Mittwochabend erst friedlich und artete später in Gewalt aus. In Videos auf den sozialen Medien ist zu sehen, wie Demonstranten Flaschen und Leuchtraketen auf Polizisten warfen.

Gemäss Informationen von Nau sollen einige Demonstranten erneut versucht haben das Parlament zu stürmen. Diese Meldung ist jedoch bisher nicht bestätigt. Die Polizei antwortete mit Tränengas, um die Menge zu zerstreuen. Auf einem anderen Video ist zu sehen, wie die Demonstranten in der Innenstadt Mülleimer anzündeten.

Ein Video, welches das investigative Recherchenetzwerks «Balkan Insight» auf seinem Twitter-Kanal retweetete zeigt, wie sich die Menge im Stadtzentrum zerstreut.

Ein weiteres Video des Recherchenetzwerks zeigt wie die Polizei anschliessend mit mehreren Autos durch Belgrad fährt. Dahinter sind auch zwei voll beladene Wagen mit Bereitschaftspolizisten zu sehen.

Starke Polizeieinheiten riegelten das Zentrum am Abend ab. Gegen Mitternacht flauten die Proteste ab, die Menschenmassen lösten sich nach Medienberichten allmählich auf.

Berichten der Nachrichtenagentur AP zufolge hat es mehrere Verletzte gegeben, darunter auch führende Oppositionspolitiker. Der Oppositionspolitiker Bosko Obradovic sagte dem Fernsehsender N1, er sei von der Polizei geschlagen worden.

Laut Innenminister Nebojsa Stefanovic wurden bei den Ausschreitungen auch zehn Polizisten verletzt. Zu den gewalttätigen Konfrontationen mit der Polizei kam es, nachdem ein Grossteil der Demonstranten die Kundgebung bereits verlassen hatte.

Serben sind wütend auf ihren Präsidenten

Die Demonstranten gehen schon seit einigen Tagen auf die Strasse. Sie sind wütend auf Präsident Alexsander Vucic und seine Handhabung der Corona-Krise. Sie fordern seinen Rücktritt.

Die Pandemie breitet sich in Serbien nämlich unaufhörlich aus. Und dafür wird vor allem Vucic beschuldigt, weil er kurz vor den Wahlen am 21. Juni die Corona-Massnahmen gelockert hat.

Wahlveranstaltungen, Konzerte und Fussball- und Tennisturniere mit zum Teil tausenden Besuchern konnten so ausgetragen werden. Nun sind die Spitäler laut Vucics Aussagen nach den Wahlen rappelvoll. «Die Situation in Belgrad ist kritisch», sagte er.

Demonstranten in Serbien
In Belgrad protestieren Demonstranten seit Wochen gegen die Regierung des Präsidenten Aleksandar Vucic. - dpa

Seit gut zwei Wochen stecken sich in dem Land wieder rund 300 Menschen pro Tag nachweislich mit Coronavirus an. Insgesamt gab es in Serbien bereits über 16'000 nachgewiesene Infektionen.

Davon gelten knapp 3000 Fälle als aktiv. 330 Menschen starben bisher in Verbindung mit der Lungenkrankheit Covid-19. Vucic verharmloste die Situation lange und sagte etwa Dinge wie: «Menschen könnten sich mit einem Glas Schnaps gegen das Virus immunisieren».

Die Demonstranten bezeichneten den autokratischen Präsidenten am Dienstagabend vor dem Parlament als «Psychopathen», «Verbrecher» und Chef einer «unfähigen Bande».

Serbiens Präsident: Demonstranten sind Faschisten

Vucic selbst bezeichnete die Demonstranten bei seiner Ankündigung die Corona-Ausgangssperre zurückzuziehen als «Faschisten». Er sagte, es bestehe der Verdacht, dass sich ausländische Geheimdienste einmischen. Beweise blieb der Präsident Serbiens jedoch schuldig.

Vucic räumte zudem ein, dass einige Polizisten, denen am Dienstagabend übermässige Gewalt vorgeworfen wurde, «gescheitert» seien und zur Rechenschaft gezogen würden.

Serbien Belgrad Coronavirus
In der Hauptstadt von Serbien arteten am Dienstagabend Proteste gegen die geplante Corona-Ausgangssperre aus. Offenbar gab es dabei zahlreiche Polizisten, die durch übermässige Gewalt negativ auffielen. - Keystone

Einige Szenen von Polizeigewalt wurden im Fernsehen festgehalten. Darunter etwa ein Vorfall vom Dienstag, bei dem Beamte mit Schlagstöcken brutal auf drei Männer einschlugen, die friedlich auf einer Bank sassen.

Bei den Demonstrationen am Dienstag waren nach Polizeiangaben mindestens 60 Menschen verletzt worden, darunter 43 Polizisten. 20 Menschen wurden den Angaben zufolge festgenommen.

Ad
Ad

Mehr zum Thema:

RegierungGewaltProtestParlamentTwitterCoronavirus