Eine progressive Verfassung wurde in Chile klar abgelehnt. In Kraft bleibt somit die Verfassung, die aus der Militärdiktatur unter Augusto Pinochet stammt.
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Die neue Verfassung hätte Chile rundum modernisieren können. Foto: Christophe Gateau/dpa - sda - Keystone/dpa/Christophe Gateau

Das Wichtigste in Kürze

  • In Chile wurde eine progressive Verfassung deutlich abgelehnt.
  • Die Verfassung hätte unter anderem ein Recht auf Wohnraum und Bildung garantiert.
  • Fortan bleibt die Verfassung in Kraft, die aus der Militärdiktatur unter Pinochet stammt.
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Chile hätte wohl eine der progressivsten, sozialsten und ökologischsten Verfassungen der Welt bekommen können. Bei der Ausarbeitung wurden konservative Stimmen allerdings kaum gehört. Das Projekt ist gescheitert.

Die Chilenen haben in einem Referendum einer neuen Verfassung eine klare Absage erteilt. Knapp 62 Prozent der Wähler lehnten den Entwurf für ein neues Grundgesetz ab. Das teilte die Wahlbehörde am Montag mit. Nur etwa 38 Prozent stimmten mit Ja.

Die neue Verfassung hätte Chile grundlegend verändert. Sie hätte ein Recht auf Wohnraum, Bildung und Gesundheit garantiert.

Zudem eine Frauenquote von 50 Prozent in allen Staatsorganen festgeschrieben. Und den indigenen Gemeinschaften ein Selbstbestimmungsrecht eingeräumt. Das ging vielen Menschen in dem konservativen Land offenbar zu weit.

Präsident Boric zeigt sich demütig

«Das chilenische Volk war mit dem Vorschlag nicht zufrieden und hat ihn an den Urnen klar abgelehnt. Ich nehme diese Entscheidung mit Demut an. Wir müssen auf das Volk hören».

Das sagte der linke Präsident Gabriel Boric, der die neue Verfassung unterstützt hatte. «Diese Entscheidung verpflichtet uns, mit mehr Einsatz einen neuen Entwurf auszuarbeiten, der uns als Land eint.»

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Augusto Pinochet im März 1998 während der Übergabe des Kommandos der chilenischen Armee an seinen Nachfolger (links) und Spaniens Machthaber Francisco Franco im Mai 1973 mit seinem künftigen Nachfolger, König Juan Carlos. - Keystone

Die aktuelle Verfassung von 1980 stammt noch aus der Zeit der Militärdiktatur unter General Augusto Pinochet. Sie bleibt nun vorerst in Kraft. Die Aufgaben des Staates sind auf ein Minimum reduziert.

Das Bildungs-, Gesundheits- und Rentensystem ist privatisiert. Zwar hat Chile das höchste Pro-Kopf-Einkommen in Südamerika. Doch das Land mit rund 19 Millionen Einwohnern leidet auch unter grosser sozialer Ungleichheit.

Nur eine linke Utopie?

Eine neue Verfassung war eine der Hauptforderungen der sozialen Proteste 2019. Vor zwei Jahren sprachen sich noch knapp 80 Prozent der Wähler für die Ausarbeitung eines neuen Grundgesetzes aus. In der Verfassungsgebenden Versammlung waren vor allem Angehörige linker Gruppierungen vertreten, Konservative hingegen waren in dem Konvent stark unterrepräsentiert.

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Stimmabgabe in einem Wahllokal in Chile. - AFP

«Heute hat der gesunde Menschenverstand der Mehrheit über die Ideologie und Gewalt einiger weniger gesiegt». Das sagte der ultrarechte Politiker José Antonio Kast, der bei der Präsidentenwahl gegen Boric gescheitert war. Konservative Parteien und Interessensgruppen hatten vor der Ablehnung auch Ängste vor Enteignungen geschürt.

Die neue Verfassung hätte auch ein Recht auf Abtreibung garantiert. Derzeit sind Schwangerschaftsabbrüche nur in wenigen Ausnahmefällen möglich. Zudem wäre Chile als plurinationaler Staat definiert worden.

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